Ressourcenschonend Bauen mit Holz

Ein Artikel von Sven Matt | 28.02.2023 - 08:19

Bauen wird immer anspruchsvoller, die Komplexität nimmt stetig zu. Ein schonender Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen gestaltet sich allein dadurch immer schwieriger. Umso angenehmer, wenn man zwischendurch wieder einmal einfach bauen kann. Der Neubau des Infrastrukturgebäudes beim Strandbad Lochau bot eine willkommene Gelegenheit dazu. Wärmedämmung und Energieausweis spielten keine Rolle, die Lüftungstechnik beschränkte sich auf die Haube über der Pommes-Fritteuse. Dennoch war es erklärtes Ziel, hier nicht nur einen banalen Zweckbau, eine simple Einhausung von Funktionen zu realisieren. Entstanden ist ein Gebäude, das die Qualitäten des Holzbaus vielschichtig ausspielt und mit wenigen Mitteln einen spürbaren Mehrwert schafft.

RBH_StrandbadLochau3_AdolfBereuter.jpg

© Adolf Bereuter

Das Strandbad Lochau befindet sich an einem der reizvollsten Plätze des Bodensees und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Bereits im 20. Jahrhundert stand an dieser Stelle ein einfacher Holzbau, welcher den Badegästen als Umkleide und Unterstand diente. Der Neubau des Infrastrukturgebäudes ersetzt einen einfachen Massivbau aus den 1960er-Jahren. Die in die Jahre gekommene bauliche Struktur, funktionale Mängel sowie die beengte Situation zum stark befahrenen Bodenseeradweg machten einen Neubau notwendig. Zur Badesaison 2020 fertiggestellt, hat das Strandbad Lochau mittlerweile seine dritte Badesaison hinter sich. Dem neuen Infrastrukturgebäude gelingt es auf ökonomische Weise, die komplexen Verkehrsströme und unterschiedlichen Nutzerinteressen zwischen Baden, Kiosk und Radweg auf einfache und logische Weise zu entflechten. Im Zusammenspiel mit dem feinfühlig gestalteten und doch ökonomischen Holzbau ist damit ein neuer Ankerpunkt am See entstanden. Ein Ort, welcher sowohl Stammgästen als auch neuen Gästen aus nah und fern einen entspannten Tag am See ermöglicht.

RBH_StrandbadLochau4_AdolfBereuter.jpg

Die Unmittelbarkeit des Ausdrucks und die Einfachheit verleihen dem Gebäude seinen sommerlichen Charme und lassen einen Ort entstehen, welcher von einer Aura großer Entspanntheit geprägt ist. © Adolf Bereuter

RBH_StrandbadLochau7_AdolfBereuter.jpg

© Adolf Bereuter

Der flache, eingeschossige Baukörper setzt sich präzise zwischen See und Landschaft in das räumliche Feld aus bestehendem Wassersteg und der neuen Mündung des Kugelbeerbaches. Ruhe- und Aktivitätsbereich werden bestmöglich an das Gebäude angeschlossen und es entstehen großzügige Freibereiche für die Badegäste. Weit in die Umgebung greifende Begrenzungsmauern entlang des Radweges strukturieren den Außenraum, schaffen gemeinsam mit der neuen Überplattung des Kugelbeerbaches einen übersichtlichen und sicheren Radabstellplatz und führen den Besucher intuitiv zum weit überdachten Eingangsbereich. Ein weites, schützendes Dach bildet weiche und vermittelnde Raumübergänge zwischen dem Gebäude und seiner Umgebung und vereint die einzelnen Einheiten des Infrastrukturgebäudes unter sich. Eingangsbereich und Kiosk bilden einen Raumverbund, welcher sowohl zum Radweg als auch zum Seeufer hin orientiert ist. Die großzügige Terrasse des Kiosks ist durch einen leichten Höhenunterschied mit Mauereinfriedung vom Seeufer niederschwellig getrennt und dennoch sowohl für Badegäste als auch Besucher barrierefrei zugänglich. Auf der gegenüberliegenden Seite des Haupteinganges befinden sich Umkleide, Nass- und Spindbereiche in ökonomischer Raumfolge. Kurze Wege und kompakte Anordnung prägen den eigentlichen Kernbereich der Infrastruktur für Badegäste.

RBH_StrandbadLochau2_IMA Kopie.jpg

© Inauer Matt Architekten

RBH_StrandbadLochau1_IMA.jpg

© Inauer Matt Architekten

Die feingliedrige Architektursprache und der unmittelbare Ausdruck von Konstruktion und Materialität prägen den Charakter des neuen Gebäudes. Die begleitenden Wandscheiben entlang des Radweges sorgen für Stabilität. Darin positioniert sich ein einfach strukturierter Holzbau, der als leichtes Stab- und Flächentragwerk an eine sommerliche Gartenlaube erinnert. Technische Einheiten werden gesamthaft auf dem Dach über den jeweiligen Raumeinheiten positioniert und ermöglichen so eine hochökonomische Umsetzung mit kurzen Distanzen. Eingekleidet in ein verzinktes Stahlgewebe, treten die integrierten technischen Gerätschaften in den Hintergrund. Was bleibt, ist ein räumlich prägnantes und identitätsstiftendes Zeichen mit Fernwirkung, das einen neuen Orientierungspunkt am See bildet.

In Anbetracht der Aufgabenstellung für ein nur im Sommer genutztes Gebäude ist die Materialwahl ebenso naheliegend wie die daraus abgeleitete Tragstruktur konsequent. Ein großes flaches Dach aus einer Holzplatte, die auf eine Balkenlage aufgebracht ist. Getragen von einem zentralen Rückgrat aus kräftigen Brettsperrholz-Platten in Form von kleinen Wandscheiben und einem breiten Unterzug. Vervollständigt durch schlanke Außenstützen mit jeweils einem genauso schlanken Unterzug.

RBH_StrandbadLochau6_AdolfBereuter.jpg

© Adolf Bereuter

Die räumliche Stabilität und Steifigkeit wird durch die Dachscheibe in Verbindung mit den kleinen Querwandscheiben gewährleistet, ergänzt um die längs aussteifende Wirkung der rückwärtigen Stahlbetonwand. Bleibt der – die Technik beherbergende – Dachaufsatz, der als leichtes Stahlgerippe punktuell auf die Dachplatte aufgesetzt wird. Insgesamt eine überaus angemessene und somit hochwirtschaftliche Konstruktion, zumal der Holzbau mit der ihm eigenen Ästhetik jede Verkleidung überflüssig macht.

Strandbad Lochau

Planung: Innauer Matt Architekten
Statik: Merz Kley Partner
Bauphysik: Günter Meusburger
Holzbau: Kaspar Greber