Schmuck für 80er-Jahre-Bau

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 09.12.2019 - 10:20
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Münchens Dachlandschaft ist zwar um ein Stahlbetonstockwerk ärmer, dafür um zweieinhalb Etagen in Holzmassivbauweise bereichert. © Brigida Gonzalez

Seit vergangenem Jahr ist es vollendet: Das oberste Staffelgeschoss des Wohn- und Bürogebäudes in München findet sich durch zweieinhalb neue Stockwerke ersetzt. Die oben aufgesetzte Konstruktion namens „R11“ besteht aus Brettsperrholz. „Im Fundament fanden wir ganz wenige Reserven vor. Deshalb war schnell klar, dass Holz der einzig infrage kommende Baustoff für dieses Projekt war“, erzählt Isabella Leber, die gemeinsam mit Martin Pool das Büro Pool Leber Arch in München führt.

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Auf beiden Etagen befinden sich Balkone, die jedoch nicht mit der Ausrichtung der darunter liegenden Ebenen übereinstimmen. © Brigida Gonzalez

Die diffizile Bauaufgabe verlangte zusätzlich zur Verwendung eines leichten Baustoffes, das oberste Geschoss des Bestandsbaus einschließlich der Stahlbetonkonstruktion zu entfernen. An jeder Stelle wurde Gewicht gespart, um die Bauaufgabe den Bauherrenwünschen entsprechend zu erfüllen. „Teilweise diskutierten wir sogar Beläge und mussten uns zwischen Holz und Naturstein entscheiden, um Gewicht zu reduzieren.“ Auf dem 1980er-Jahre-Bau (Gebäudeklasse 5) ruhen nun drei Wohnungen in gewichtoptimierter Holzmassivbauweise mit Sichtbeton-Brandwänden. „Die hierfür erforderlichen Brandschutzauflagen und Befreiungen umfassten im vierten Obergeschoss eine komplette K260 Kapselung. Für die beiden kleineren Wohneinheiten im selben Geschoss und die große Wohneinheit, die von der vierten Etage bis ins Dach reicht, waren aufwändige Schottungen und zusätzliche Rettungswege notwendig“, erzählen die Architekten. „Diese wurden in Zusammenarbeit mit einer gutachterlichen Betreuung erarbeitet und umgesetzt.“ Außen kleidet den Erweiterungsbau eine hinterlüftete Stahlfassade. „Trotz des Lastenthemas hätte eine Holzfassade hier einfach nicht gepasst“, erklären die Planer ihren gestalterischen Ansatz. Zusätzlich bewegte man sich mit der Geometrie des Baus im Raster des Bestandsgebäudes und in jenem, das die Edelstahlplatten an der Fassade vorgaben. Dies brachte eine weitere Herausforderung.

Im Fundament fanden wir ganz wenige Reserven vor. Deshalb war schnell klar, dass Holz der einzig infrage kommende Baustoff für dieses Projekt war.


Martin Pool und Isabella Leber,  POOL LEBER ARCH

Bauherrin wollte Holz sehen

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Mithilfe zahlreicher Schächte wurde die Haustechnik in der Konstruktion verborgen. Der Aufwand hat sich sichtlich ausgezahlt. © Brigida Gonzalez

Der 550 m2 große, zusätzliche Wohnraum ist so konzipiert, dass dieser flexibel aufgeteilt werden kann. Im Moment gibt es die Eigentümerwohnung mit zwei Schlafzimmern und zwei weitere Wohnungen. Insgesamt wären vier Wohneinheiten denkbar. Im Innenraum setzen alle Einheiten auf Sichtoberflächen. „Die Bauherrin wollte das Holz sehen“, erzählt Leber. „Das stellte uns vor die Herausforderung, eine Unzahl von Schächten in die Konstruktion zu integrieren. Die Komplexität der hohen Brandschutzauflagen in der Gebäudeklasse 5 und der Anspruch, die Haustechnik in den Bau zu integrieren, ohne das Raumkontinuum zu zerstören, forderten uns mit Sicherheit am meisten.“ Holz dominiert nun innen nicht nur durch Sichtoberflächen der Brettsperrholz-Konstruktion, sondern findet sich auch in vielerlei Hinsicht in der maßgefertigten und multifunktionalen Einrichtung wieder. So dient beispielsweise eine Reihe von Stauraumkästen als Fenstersitzgruppe, neigt sich aber gleichzeitig um die Ecke zu einem Sideboard. Brettsperrholz-Wände und -Decken ohne vorgesetzte Installationsebene kontrastieren mit Sichtbetonwänden mit rauer Brettschalung. Die Fenster sind bodentief und stellen einen Bezug zur urbanen Umgebung her.

Im Raster gedacht

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Der zweieinhalbstöckige Baukörper verfügt nun insgesamt über rund 550 m2 Wohnfläche, aufgeteilt auf drei Wohnungen. © Brigida Gonzalez

„Die komplizierten Geometrien und Verschränkungen von Außen- und Innenraum ebenso wie die Schnittstelle von freier Geometrie mit einem präzisen Fassaden- und Tragwerksraster, das den Vorgaben des Bestandes folgen musste, erforderten eine intensive dreidimensionale Auseinandersetzung mit Licht, Raum und Konstruktion“, erklären Pool Leber Architekten. Problemlos funktionierte die Zusammenarbeit mit dem Holzbauunternehmen Frank. „Die einzige Schwierigkeit war vielleicht, dass das Stahlbetonstaffelgeschoss erst kurz vor Beginn der Bauarbeiten abgetragen wurde. Deshalb konnte man bis dahin kein genaues Aufmaß nehmen.“ Aber auch das meisterte das Holzbauunternehmen.

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Martin Pool und Isabella Leber,  Pool Leber Arch © Brigida González

Das renommierte Architekturbüro Pool Leber fügte sich heuer in die Reihen der „best architects“ und erlangte mit „R11“ jüngst den 2. Platz sowie den Publikumspreis beim Velux-Architektenwettbewerb. Obwohl sich die beiden als baustoffneutral bezeichnen, darf man sicherlich den einen oder anderen extravaganten Holzbau erwarten.

Projektdaten

Standort: München
Nutzfläche: 550 m2
Fertigstellung: 2018
Architektur: Pool Leber Arch
Holzbau: Frank Zimmerei und Holzbau
Systemlieferant: Züblin Timber