Die optischen Werte eines Wohnraums und Sichtdachstühle gewinnen somit stetig an Bedeutung. Dies bringt neue Anforderungen an das Steildach und deren Schichtaufbauten mit sich. Neben dem üblichen Schutz vor Witterungseinflüssen übernimmt dieses Bauteil nun als erweiterte bauphysikalische Anforderung auch den Schallschutz. Ziel des Schallschutzes ist es, den Bewohner vor Lärmbelästigung zu schützen. Da schallschutztechnische Maßnahmen bei Sichtdachstühlen nachträglich nur sehr aufwendig verbessert werden können, müssen die Erfordernisse bereits im Planungsprozess Berücksichtigung finden. Im Projekt „Schutz.aufs.Dach“ hat sich die Holzforschung Austria (HFA) und das Technologische Gewerbemuseum dem Thema Luft- und Regenschallschutz von aufdachgedämmten Dächern gewidmet. Nachfolgender Artikel ist ein ergänzter Auszug aus den Ergebnissen dazu.
Schallarten
Prinzipiell wird zwischen zwei Arten von Schall unterschieden:
- Luftschall: breitet sich über die Luft aus und entsteht durch Sprache, Musik, Maschinen etc.
- Körperschall: breitet sich über feste Körper bzw. Bauteile aus und wird z.B. durch Gehen, Bohren und Klopfen verursacht. Bei Dächern ist auch eine spezielle Art des Körperschalls, der Regenschall durch Regentropfen bekannt.
Luftschalldämmung
Die gesetzlichen Anforderungen an die Luftschalldämmung von Dächern entsprechen im Wesentlichen jenen der Außenwände (Achtung: bei Fluglärmbelästigung ggf. gesonderte Anforderungen), wobei auch hier Einbauten wie Dachflächenfenster zu berücksichtigen sind. Während die Mindestanforderung an das opake Außenbauteil ohne Einbauten in Österreich sehr konkret in der OIB-Richtlinie 5 (Empfehlung für die Bautechnikverordnungen der Bundesländer) definiert ist (Rw ≥ 43 dB, höhere Anforderung je nach Außenlärmpegel möglich), wird dies in Deutschland generell standort- und objektspezifisch abgeleitet. Als Mindestanforderung an das gesamte Bauteil, d.h. inkl. aller Einbauten gilt in Österreich R‘res,w ≥ 33 dB und in Deutschland generell R‘w,ges ≥ 30 dB. Die deutsche Mindestanforderung an das gesamte Bauteil liegt somit um 3 dB unter der Anforderung in Österreich.
Regenschalldämmung
oben: Dr. Bernd Nusser Bereichsleiter Bauphysik Holzforschung Austria; mittig: Holzbau-Meister Engelbert Schrempf, holzbau austria, Normung und Technik; unten: Herbert Müllner, Abteilungsleiter Forschung der Versuchsanstalt Technologisches Gewerbemuseum
Ähnlich zum Rw-Wert gibt es auch für die Regenschalldämmung einen normativ festgelegten Einzahlkennwert, den LIA-Wert (A-bewerteter Schallintensitätspegel), der zum Bauteilvergleich herangezogen werden kann (je geringer der LIA-Wert, desto besser). Allerdings gibt es keine gesetzlichen Mindestanforderungen hierzu, wie etwa bei der Luftschalldämmung. Die Regenschallprüfung dient vielmehr dazu (gem. ISO 10140-1)
- die Geräusche im Raum unter dem Prüfkörper zu beurteilen,
- die Bauteile für eine angemessene Regenschalldämmung auszulegen,
- das Regenschall-Dämmvermögen von Bauteilen zu vergleichen.
Für den Vergleich von Bauteilen muss gemäß Prüfnorm die Regenart „schwer“ verwendet werden. Diese zeichnet sich durch eine Niederschlagsmenge von 40 mm/h, einem Tropfendurchmesser von 5 mm und einer Fallgeschwindigkeit von 7 m/s aus. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) definiert eine solche Niederschlagsmenge als „heftiger Starkregen“. In der Realität tritt dieser im deutschsprachigen Raum jedoch äußerst selten auf [DWD 2022; MeteoSchweiz 2022]. Aufgrund der aktuellen Klimaentwicklung werden für Mitteleuropa zukünftig jedoch vermehrte Starkregenereignisse erwartet [Haas et al. 2018] und wurden für Österreich beispielsweise bereits nachgewiesen. [ZAMG 2022].
Konstruktionen und Aufbauten
Gedämmte Dachkonstruktionen werden im Wesentlichen in zwischensparrengedämmte und aufdachgedämmte Konstruktionen eingeteilt. Zwischensparrendämmung bedeutet, dass die Dämmung im Sparrengefach eingebracht wird. Dämmstoffarten: Meist mineralische Dämmstoffe wie Steinwolle oder natürliche Dämmstoffe, wie Holzweichfaser oder Zellulosedämmung.
- Vorteil: Geringere Bauteilhöhe, die Dämmung und die Tragkonstruktion (Sparren) sind in derselben Ebene.
- Nachteil: Die Sparren, welche sich in der
Dämmebene befinden, ergeben thermische Schwachstellen (Wärmebrücken) Bei der Aufdachdämmung wird der Dämmstoff auf die Schalung oberhalb der Sparren verlegt. Diese Möglichkeit der Dachdämmung wird zumeist bei nachträglicher Dämmung von schlecht gedämmten Gebäuden oder bei Sichtdachstühlen realisiert. Dämmstoffarten sind PUR (Polyurethan)/PIR (Polyisocyanurat) und EPS (expandiertes Polystyrol)-Hartschaumplatten, druckfeste Holzweichfaserdämmung sowie druckfeste Mineralfaserdämmstoffe.
- Vorteil: Keine Wärmebrücken aufgrund lückenloser Dämmschicht, einfache Verlegung der luftdichten Ebene unterhalb der Dämmung.
- Nachteil: Erhöhter Dachaufbau, Stufenübergänge an den Vordachbereichen.
Forschungsprojekt „Schutz.aufs.Dach“
Abb. 1 (links): Vollsparrend.mmung; Skizze Schrempf Engelbert Abb. 2 (rechts): Aufsparrend.mmung; Skizze Schrempf Engelbert
Im Zuge des Forschungsprojektes Schutz.aufs.Dach der HFA und des Technologischen Gewerbemuseums wurden neue Erkenntnisse zum Thema Luft- und Regenschalldämmung bei aufdachgedämmten Dächern (Sichtkonstruktionen) gewonnen. Im Zuge des Projektes wurden Sichtsparren- und BSP-Dächer in verschiedenen Ausführungsvarianten untersucht. Schwerpunkt war die Variation der Aufdachdämmstoffe, wobei u.a. der Einfluss der Dacheindeckung untersucht wurde. Die Art der Dacheindeckung hat ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf die Luftschalldämmung von Dächern. Rabold und Jehl (2010) zeigen in ihren Untersuchungen, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Fugen-(luft)durchlässigkeit der Dacheindeckung und der Luftschalldämmung von Steildächern gibt. Sie verdeutlichen auch, dass eine hohe Masse der Dacheindeckung kombiniert mit einer möglichst geringen Fugendurchlässigkeit zu den höchsten Schalldämmmaßen führt. In der Untersuchung wird zusammengefasst, dass bei aufsparrengedämmten Dächern mit Dachsteinen eine um etwa 3 dB bessere Luftschalldämmung erreicht werden kann als mit Dachziegeln. Auch gemäß DIN 4109-33 können bei Verwendung von Dachsteinen (Einfachdeckung) bei Sichtsparrendächern um 2 dB und bei Verwendungvon Biberschwanzziegel (Doppel- oder Kronendeckung) um 4 dB höhere Rw-Werte erreicht werden als bei Verwendung einer einfachen Ziegeleindeckung. Im Projekt Schutz.aufs.Dach wurden Betonsteine für die Dacheindeckung gewählt. Die Ergebnisse sind deshalb nicht ohne Weiteres auf eine Ziegeleindeckung o.a. übertragbar. Zur Verbesserung der Luftschalldämmung von Dächern werden häufig Beschwerungen in Form von Bitumenbahnen oder Plattenwerkstoffen eingesetzt. Bei den durchgeführten Untersuchungen kamen Sandplatten (19,8 kg/ m2) oder eine doppelte Lage feuchteunempfindlicher Gipsplatten (2 x 11,7 kg/ m2) unter dem Dämmstoff zum Einsatz. Zur Dämpfung von Prasselgeräuschen durch Regen oder Hagel auf metallgedeckten Dächern werden u.a. Strukturmatten angeboten. Der Einfluss einer solchen Matte wurde anhand eines alublechgedeckten Daches mit EPS-Aufdachdämmung ebenfalls untersucht.
Befestigung der darüberliegenden Konterlattung
Die Konterlatten für die Betonstein- und Alublecheindeckungen wurden dabei stets mit Unterkopfgewindeschrauben im Schraubenabstand von 50 cm verschraubt, um den Anpressdruck auf die Dämmung gering zu halten. Dadurch können deutlich bessere Luftschalldämmwerte erreicht werden (teilweise um 3 dB bis 9 dB) als bei Verwendung von Teilgewindeschrauben mit einem erhöhten Anpressdruck. Auch in der aktuellen Fassung der DIN 4109-33 wird bei aufdachgedämmten Dächern in Abhängigkeit des Dämmstoffes und der Dämmstoffdicke eine Verbesserung von 1 dB bis 9 dB bei Verwendung von Doppelgewindeschrauben anstelle von Teilgewindeschrauben o. a. mit hohem Anpressdruck angegeben.
Schlussfolgerungen:
Die Tabelle zeigt eine Übersicht der verwendeten Dämmstoffe; s‘: dynamische Steifigkeit ρ: Rohdichte
Anhand der durchgeführten Untersuchungen konnte die Luft-, aber vor allem die Regenschalldämmung von aufdachgedämmten Dächern tiefergehend betrachtet werden. Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass:
- Faserdämmstoffe höhere Luftschalldämmungen als Hartschaumdämmstoffe erreichen,
- der Unterschied innerhalb der Hartschaum- und Faserdämmstoffe bzgl. Luftschall gering ist,
- die Holzfaserdämmung stets Vorteile bzgl. Regenschalldämmung bringt,
- eine Betonsteineindeckung im Allgemeinen zu einer höheren Luft- und stets zu einer wesentlich höheren Regenschalldämmung führt als eine Alublecheindeckung,
- BSP-Dächer bei ansonsten gleicher Ausführung höhere Luft- und Regenschalldämmungen aufweisen als Sichtsparrendächer,
- bei einem Sichtsparrendach eine Beschwerung unter dem Dämmstoff zu einer deutlich besseren Luft- und Regenschalldämmung führt,
- der Effekt durch Sand- und Gipsplatten als Beschwerung vergleichbar ist,
- die untersuchte Strukturmatte unter der Alublecheindeckung erst im höheren Frequenzbereich (> 1000 Hz) Verbesserungen brachte und
- die Verschraubung der Konterlattung die Regen schalldämmung wesentlich beeinflusst.
Sollen ausreichende oder gar erhöhte Luft- und Regenschalldämmwerte bei Sichtsparrendächern mit Alublecheindeckung erreicht werden, so ist in der Regel eine Beschwerung mit einer geeigneten Flächenmaße (z.B. 2 x 18 mm Gipsfaserplatten) unter dem Dämmstoff anzubringen.
Übersicht der Messergebnisse
Nachfolgende Abbildung zeigt eine Übersicht über die ermittelten Luft- und Regenschallkennwerte der Dachaufbauten. Bisher nicht verfügbar waren die LIA-Werte der Dächer. Anhand der Projektergebnisse lässt sich nun neben der Luftschall- auch die Regenschalldämmung der Dächer einordnen. Anzumerken ist hierbei, dass die Einzahlkennwerte in der Grafik, die sich per nebenstehendem QR-Code online abrufen lässt, aus Prüfstandsmessungen an einzelnen Dachkonstruktionen stammen. Sicherheitsabschläge oder Nebenwegeinflüsse müssen bei der bauakustischen Planung von solchen Dächern gesondert berücksichtigt werden. Auch ist derzeit noch unbekannt, inwieweit der LIA-Wert mit der subjektiven Wahrnehmung der Regenschalldämmung korreliert oder inwieweit Dacheinbauten und „Nebenflächen“ (z.B. die Einfassung der Dacheinbauten oder Attikas) die Regenschalldämmung von Dächern beeinflussen. Diese Themen sind in einem weiterführenden Forschungsprojekt zu bearbeitet.
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