Holzbauplattform: die Vision 2035

Ein Artikel von Raphael Zeman | 10.01.2025 - 09:13
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Dieter Lechner, Koordinator Holzbauplattform, Fachverband der Holzindustrie © Gerhard Fally

Worum geht es in der Holzbauplattform?

DL: In erster Linie geht es darum, die technischen Fragestellungen im Holzbau gemeinsam über den ganzen Sektor hinweg in einer Plattform zu beantworten. Deshalb setzt sich die Holzbauplattform aus den Verbänden – wie Fachverband der Holzindustrie, holzbau austria, Fertighausverband, Österreichischer Ingenieurholzbauverband –, Ziviltechnikern, Bauphysikern, der Landwirtschaftskammer und proHolz, Anwendern, Universitäten, Experten von Prüf- und Überwachungsstellen sowie Forschungsstellen zusammen.

Sie haben vorab von einer Gesamtvision 2035 gesprochen. Was können wir uns darunter vorstellen?

BE: Bis 2035 wollen wir alle technischen An- und Herausforderungen an einen Sechsgeschoßer in Holzbauweise geprüft und gesammelt haben. Natürlich kann man diese bereits errichten. Derzeit ist aber der Viergeschoßer quasi das Basiswissen, die Anforderungen sind relativ gering. Wir möchten den Sechsgeschoßer, der derzeit in den jeweiligen Länderbauordnungen geregelt ist, zum neuen Standard machen, wo keine „überhöhten“ Brandschutzkonzepte und Kompensationsmaßnahmen mehr notwendig sind. Das würde ein großes potenzielles Auftragsvolumen für die gesamte Branche liefern. Rein mit Industrie- und Gewerbebauten wird man nicht über die Runden kommen, der mehrgeschoßige Holzwohnbau birgt einen Mehrwert für den ganzen Sektor. Aber wenn eben die Branche so stark wächst, muss das Know-how entsprechend mitwachsen – und genau das ist unser Ziel: Wir bringen namhafte Player aus Wissenschaft, Industrie und Handwerk zusammen und fragen, was die wichtigsten Punkte sind, die wir lösen müssen. Und dann bereiten wir das Wissen so auf, dass es für die gesamte Wertschöpfungskette nutzbar ist.

Das klingt nach einer Mammutaufgabe. Wie gehen Sie das an?

DL: Indem man vom Großen ins Kleine geht. Zuerst haben wir die wichtigsten Themengebiete identifiziert und die Inhalte auf einer breiten Basis aufgelistet. Daraus haben sich vier Arbeitsgruppen ergeben: Holz.Bau.Konstruktion, Holz.Bau.Feuchte, Holz.Bau.Wärme und Holz.Bau.Schall. Für diese vier Themen haben wir Roadmaps erarbeitet. Die werden im Januar noch einmal genau betrachtet, eine konkrete 10-Jahre-Strategie erarbeitet und dann die umsetzbaren Maßnahmen bzw. anzugehenden Themen beschlossen. Alles auf einmal können wir schon rein vom Budget her nicht bewältigen.

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Bernhard Egert, Sprecher Holzbauplattform, Geschäftsführer UBM Deutschland und Head of Timber Construction UBM AG © UBM

Zeichnen sich hier schon konkrete Themen ab?

DL: Im Bereich Holz.Bau.Konstruktion geht es grob gesagt um die technische Planung von Holzkonstruktionen – und dahingehend sind Schulungen nicht nur für Planer, sondern auch Bauingenieure angedacht. Konkrete Themen sind hier zum Beispiel Fassaden und die Verträglichkeit einer grünen Fassade mit der Holzkonstruktion, die Wiederverwendung von Materialien oder auch die Qualitätssicherung. Im Bereich Holz.Bau.Schall beschäftigt uns vor allem der Trittschallschutz, denn hier gibt es noch keine konkreten Kenngrößen. Neben dem Luftschall nehmen wir auch den Körperschall unter die Lupe. Ein weiteres spannendes Thema ist da auch die technische Gebäudeausstattung, die ja ebenfalls einen Schall abgibt. Die Arbeitsgruppe Holz.Bau.Feuchte behandelt zum Beispiel die Themen Feuchträume im Holzbau oder Feuchteschutz und Wasser- bzw. Feuchtemanagement auf der Baustelle. Es geht auch um Weiterbildungsmaßnahmen und wie man das Thema Feuchte und Holzbau an das Publikum kommuniziert, um die Fachplaner und -kräfte mit unterschiedlichen Ausbildungen auf denselben Wissensstand zu bringen. Bei der Arbeitsgruppe Holz.Bau.Wärme sind die Arbeiten noch nicht ganz abgeschlossen.  Darüber hinaus gibt es noch Projekte außerhalb der erwähnten Arbeitsgruppen und Roadmaps. Wir arbeiten beispielsweise an einer Richtlinie für Balkone und Staffelgeschoße sowie an einer für Folgegewerke. Der Wunsch danach wurde bei der Bildungswoche in Alpbach an uns herangetragen. Ein weiteres Projekt ist die Resonanz-App, auch „Masse-Feder-Simulator“ genannt. Dieses Tool wurde am Labor für Bauphysik der TU Graz entwickelt, um Resonanzfrequenzuntersuchungen von Mehrmasseschwingern mit bis zu sechs Einzelmassen durchzuführen.

Die Wissenschaft ist also auch wichtiger Bestandteil der Holzbauplattform?

BE: Selbstverständlich. Wir haben ganz zu Beginn versucht, alle österreichischen Forschungsstellen und Player aus den unterschiedlichen Wissensgebieten an einen Tisch zu bringen und gemeinsam zu erarbeiten, was schon vorhanden ist und was noch erarbeitet werden muss. Wir wollen Doppelgleisigkeit vermeiden und alle gemeinsam an einem Strang ziehen – das war auch einer der Ausgangsimpulse, um die Holzbauplattform zu gründen. Es ist viel sinnvoller, ein gesammeltes Wissen für alle bereitzustellen. Sonst müssen sich Interessenten ihre Informationen mühsam und stückchenweise von den jeweiligen Stellen einholen, wie es derzeit leider noch der Fall ist. Die Plattform dataholz ist hier sicherlich hilfreich, dort haben wir auch bereits Brettsperrholzdecken mit unterschiedlichen Schüttungen ergänzt. Zudem haben wir mit Planern und Anwendern das neue Forschungsprojekt Holz 5+ definiert, das sich mit der Gebäudeklasse 5 und im Detail mit Brandschutzkonzepten ab der Hochhausgrenze beschäftigt. Das Projekt ist fertig und wurde eingereicht, wir haben aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Zusage, ob es für eine Finanzierung tauglich ist.

DL: Neben der Wissenschaft soll auch die Bildung in der Holzbauplattform aktiv angegangen werden. In der nächsten Sitzung beschäftigen wir uns damit, wie wir die Bildung im Holzbau künftig besser strukturieren, Parallelitäten vermeiden und welche Bildungsinitiativen wir setzen können. Es stehen ja zahlreiche verschiedene Themen im Raum, wie zum Beispiel die Schulungsmaßnahmen zum Eurocode 5. Wir wollen das Thema Ausbildung im Holzbau gemeinsam über alle Verbände hinweg angehen.

Wird auch mit der Politik gesprochen und an Bauordnungen und Normen gefeilt?

DL: Natürlich. Wir sind etwa auch über meine Wenigkeit in die Überarbeitung der bautechnischen Anforderungen (OIB-Richtlinien) involviert und haben die „Impulsgruppe OIB-Richtlinie Überarbeitung“ gegründet. Als Erstes haben wir jetzt eine kleine Subarbeitsgruppe zur OIB-Richtlinie 6 gestartet, bei der es auch um die Übernahme der Energieeffizienzrichtlinie der EU geht. Wir haben eine gemeinsame Stellungnahme verfasst, die wir für den gesamten Holzbau in den OIB Richtlinien-Verhandlungen einbringen werden. So sprechen wir mit einer Stimme für den Sektor. Das Thema Normung ist ebenfalls sehr wichtig. Leider finden sich hier leider immer weniger Vertreter aus dem Sektor, die sich engagieren. Wir brauchen aber unbedingt Experten und Fachkräfte, die sich in die normativen Gremien setzen und unsere Sichtweisen und Forschungserkenntnisse einbringen. 

Die Gesamtvision: Holzbau 2035

„Im Jahr 2035 hat die österreichische Holz(bau)branche alle technischen Grundlagen erarbeitet, um einen qualitativ hochwertigen sechsgeschoßigen Holzhochbau für unterschiedliche Nutzungsszenarien im Neubau und der Sanierung wirtschaftlich und zukunftstauglich realisieren zu können. Allen Projektbeteiligten stehen ausgereifte und digital gelistete Werkzeuge in Form eines österreichischen Holzbaustandards zur Verfügung. Dies umfasst einfache, robuste und standardisierte Aufbauten und Details sämtlicher Bauelemente und Gewerke eines Hochbaus – von der Tragstruktur bis zur Fassade inklusive Ausbau und TGA –, welche bei hoher Standardisierung und Vorfertigung individuelle Architektur erlauben. Erprobte Lösungen für dauerhafte, präzise, fehlertolerante, reversible, rückbaubare und qualitativ hochwertige Holzbauten bilden diesen Standard ab.“ (Verfasser: Holzbauplattform)