Um die Ressourcen von Gebäuden zukünftig in hochwertiger Form in die Kreislaufwirtschaft integrieren zu können, ist es unerlässlich, bereits jetzt mit der rückbauorientierten Planung zukunftsfähiger Holzbauten zu beginnen. Der Leitfaden präsentiert praxisorientierte Ansätze zur Ausschöpfung des Rückbaupotenzials von Holzhochbauten, welche von Planern sowie Ausführenden praxisnah angewandt werden können. Gleichzeitig stellt er ein praktikables und einfaches Werkzeug zur Beurteilung und Kategorisierung gewählter Aufbauten und Anschlüsse dar, welche die Basis für eine rückbauorientierte Holzbauplanung bilden. In Ergänzung dazu ist es künftig sinnvoll und notwendig, ein umfassendes Werterhaltungskonzept für das betrachtete Holzbauprojekt zu erstellen, um langfristige, hochwertige Holzbauten bewerten und erhalten zu können.
Projekt Re-use im Holzbau
Das auf den Holzhochbau spezialisierte Team von Koppelhuber² und Partner aus Graz hat innerhalb eines Jahres in Zusammenarbeit mit Experten der Holzbaubranche – M. Burgschwaiger, H. Ferk, A. Laimer-Liedtke, C. Staffl – den Leitfaden „Rückbauorientiertes Planen und Bauen im Holzbau“ erarbeitet und im September 2024 final präsentiert. Der Leitfaden bildet einen Bestandteil des Gesamtprojektes „Recycling und Re-use von Holz, Holzbauprodukten und Holzwerkstoffen“ der Normenkoordinationsstelle des Fachverbandes der Holzindustrie Österreich, welche neben der Initiierung die Gesamtkoordination und Leitung der durch den Waldfonds der Republik Österreich finanzierten Projekte übernahm.
European Green Deal – Kreislaufwirtschaft
Das Thema Kreislaufwirtschaft stellt einen maßgeblichen Teil des European Green Deal dar. Das Ziel dieser Kreislaufwirtschaft, welches auch den Fokus dieses Leitfadens darstellt, besteht in einer signifikanten und nachhaltigen Reduktion des Ressourcenverbrauches im Bauwesen, einschließlich des Holzbaus. Diesbezüglich wird die Berücksichtigung der Rückbaubarkeit und Werterhaltung bereits in der frühen Planungsphase eines Holzbaus mittels geeigneter Maßnahmen und Planungsansätze angestrebt, um ein flächendeckendes Konzept des Rückbaus zu ermöglichen. Der Leitfaden präsentiert hierfür eine Reihe von methodischen Ansätzen und praxisorientierten Instrumenten, welche darauf abzielen, die Förderung von umweltgerechtem und ressourceneffizientem Bauen mit Holz weiter voranzutreiben.
Bauteilschichten zur Beurteilung der Kreislaufwirtschaft
Die Planung von Holzhochbauprojekten soll zukünftig derart erfolgen, dass die Wieder- und Weiterverwendung von einzelnen Bauteilen, Materialien und Komponenten, die bereits in einem Bauwerk verbaut wurden, deutlich erleichtert wird sowie der Baustoff Holz in der Prioritätenfolge der Abfallhierarchie nach oben wandert. In diesem Zusammenhang wurde das seit Jahren bekannte Schichtenmodell nach Brand weiterentwickelt, um die Grundlage für die Definition einzelner Gebäudeschichten im Holzhochbau mit unterschiedlichen Nutzungsdauern sowie eine gezielte Planung der Austauschbarkeit zu schaffen. Der für den Holzbau so spezifische Schichtaufbau, der für eine rückbauoptimierte Planung verbessert werden soll, ermöglicht bei Umnutzungen oder Sanierungen demnach den Austausch lediglich der notwendigen Bauteile, während der wesentliche Teil der Konstruktion erhalten bleibt. Durch eine intelligente Planung sowie den Einsatz rückbautauglicher Materialien und Verbindungstechniken werden die Umnutzungsmöglichkeiten von Gebäuden erweitert und gleichzeitig die Abfallvermeidung stetig gefördert.
Rückbaukatalog zur Bewertung
Der im Rahmen dieses Projektes entwickelte Rückbaukatalog stellt das Kernstück des Leitfadens dar. Dieser Rückbaukatalog fungiert als systematisches Instrument zur Evaluierung und Optimierung der Rückbaubarkeit von Bauteilaufbauten hinsichtlich der einzelnen Schichten und Materialien sowie der Anschlüsse zu anderen Bauteilen und untereinander. Zudem werden die damit assoziierten, typischen Details eines Holzhochbaus berücksichtigt. Der Bewertungskatalog dient Planern sowie Ausführenden als Instrument, um die gewählten Bauteile – Aufbauten inklusive Anschlüsse – hinsichtlich ihrer Demontierbarkeit und Trennbarkeit zu evaluieren. Dadurch kann das Rückbaupotenzial auf übergeordneter Ebene sowie auf Detailebene bereits in der Planungsphase identifiziert und für das Holzgebäude gesamtheitlich dargestellt werden.
Kategorisierung im Rückbaukatalog
Der Fokus liegt auf Holzhochbauten der Nutzungsklassen 1 und 2 gemäß ÖNORM B 1995-1-1, da diese Konstruktionen keiner direkten Bewitterung ausgesetzt sind und daher eine verlässlichere Rückbaubarkeit aufweisen, als dies bei Bauvorhaben der Nutzungsklasse 3 der Fall ist. Im Rahmen des Leitfadens werden wesentliche Parameter, wie beispielsweise unterschiedliche Verbindungsmittel und -typen, detailliert beschrieben und hinsichtlich ihrer Rückbaubarkeit gemäß der Systematik der Rückbauhierarchie kategorisiert. Dabei werden die Verbindungsmittel (dieser Begriff bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf die Konstruktion, sondern auf jegliche Form der Verbindung auch anderer Gewerke als der Holzbau) in die Kategorien „gesteckt, geschraubt, genagelt/geklammert und geklebt“ unterteilt und die Gesamtaufbauten und Schichten dahingehend analysiert. Der Rückbaukatalog verwendet eine eindeutige und leicht nachvollziehbare Farbcodierung (Grün, Orange, Rot), um die Bewertung der Rückbaubarkeit einzelner Materialien und Schichten, Bauteile und Komponenten sowie Anschlüsse und Details visuell zu unterstützen. Die Kategorien Rückbaubarkeit, Demontierbarkeit und Trennbarkeit werden hierzu – wie in der dazu gängigen deutschsprachigen Literatur zum Thema Rückbau – unterschieden und für die Nutzer des Leitfadens eindeutig definiert sowie deren Unterschiede erläutert, um eine standardisierte Bewertung zu ermöglichen. Die Betrachtung der Bauteile erfolgt gemäß dem Pareto-Prinzip (80:20), um sich auf die wesentlichen Aufbauten und Konstruktionsdetails zu fokussieren, welche den größten Einfluss auf die Rückbaubarkeit eines Holzbaus aufweisen.
Werterhaltungskonzept Holzbau
Das Prinzip des Werterhaltungskonzeptes basiert auf der Zusammenstellung und Übergabe eines umfassenden und detaillierten Konvoluts an die künftigen Nutzer, welches sämtliche rückbaurelevanten Informationen beinhaltet, die für den Bauherrn beziehungsweise Eigentümer eines Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind. Als Fundament für ein langfristig stabiles Werterhaltungskonzept erweist sich insbesondere eine rückbauorientierte, vorausschauende und auf künftige Umnutzungen und Umbauten ausgerichtete Planung als maßgeblich. Zu den wesentlichen Bestandteilen zählen die eindeutige Definition der Projektziele, die Erstellung eines detaillierten und sämtliche Bauteile und Konstruktionen umfassenden Rückbaukatalogs mit Bewertungsschema sowie die Implementierung eines Materialressourcenpasses, welcher alle relevanten Informationen zu den verbauten Materialien nachvollziehbar und langfristig bereitstellt. Im Rahmen dessen wird die Relevanz einer umfassenden und detaillierten, vollumfänglichen Dokumentation ebenso aufgezeigt, wie die hierfür erforderliche Planung, welche der tatsächlich ausgeführten Leistung entsprechen muss (as built). Das Konzept definiert die Berücksichtigung der Werterhaltung in den unterschiedlichen Leistungsphasen eines Bauvorhabens ebenso wie die flexible und zukunftsfähige Planung der Gebäude. Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft wird somit auf die praktische Umsetzung im Holzbau übertragen, um langfristig ein ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen zu gewährleisten.
Transformation der Bauwirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit
Im Rahmen des Leitfadens wird auf die seit Langem überfällige Notwendigkeit einer Transformation der Bauwirtschaft hingewiesen, welche eine Hinwendung zu einer ressourceneffizienten und nachhaltigen Ausrichtung des Wirtschaftszweiges erforderlich macht. Der Leitfaden verdeutlicht, dass die Integration von Rückbau- und Werterhaltungskonzepten in Zukunft nicht mehr als optionaler Zusatz, sondern als essenzielle Voraussetzung für eine nachhaltige Baupraxis zu betrachten ist. Aufgrund der spezifischen Materialeigenschaften sowie der Schichtigkeit und mechanischen Verbindungsmittel eignen sich Holzbauprojekte in besonderem Maße für die Umsetzung der Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und des Rückbaus. Der Leitfaden richtet sich folglich an alle am Bau Beteiligten, die aufgezeigten Ansätze konsequent umzusetzen, um Umweltbelastungen und den Ressourceneinsatz künftig deutlich zu reduzieren und die Wertschöpfung im Holzbau langfristig zu sichern.
Projektteam
Daniela Koppelhuber, Jörg Koppelhuber, Christian Dold (Koppelhuber² und Partner, Graz), Martin Burgschwaiger (ConLignum, Graz), Heinz Ferk (TU Graz, Labor für Bauphysik, Graz), Axel Laimer-Liedtke (Dietrich Untertrifaller Architekten, Wien), Christian Staffl (Team Bauphysik - Zwittlinger & Staffl Engineering, Salzburg)