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Weleda Cradle Campus: Lehm und heimische Hölzer

Ein Artikel von Birgit Gruber | 24.10.2024 - 07:56

|Update vom 24.10.2024 |

Der neu errichtete Weleda Cradle Campus in Schwäbisch Gmünd wurde mit dem ersten „Innovationspreis Lehmbau“ des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Mit diesem Preis würdigt das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen herausragende Lehmbauprojekte, die zukunftsweisende Lösungen im Bauwesen aufzeigen. Die Preisverleihung fand kürzlich in der thematisch passenden Kulisse des Klosters Reute in Bad Waldsee statt, das kürzlich eine neue Aussegnungshalle aus Stampflehm erhielt. Der Weleda Cradle Campus überzeugte in der Kategorie „gewerbliches Bauen“ und wurde für seinen innovativen Einsatz traditioneller Bautechniken ausgezeichnet. 

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Der neue Weleda-Campus am Standort in Schwäbisch Gmünd. © Michelgroup

|Orginalartikel vom 11.09.2024 |

Weleda, laut eigenen Angaben Weltmarktführerin für zertifizierte Naturkosmetik und anthroposophische Arzneimittel, zentralisiert mit dem neuen Logistik-Campus im deutschen Schwäbisch Gmünd ihre internationale und nationale Vertriebs- sowie Teile der Produktionslogistik. Das Baukonzept demonstriert, wie Industriekomplexe innovativ und ganzheitlich nachhaltig konzipiert werden können. Bereits mit einem Vorzertifikat nach DGNB-Platin versehen, integriert der Neubau natürliche Materialien wie Holz und Stampflehm, welche bei einem Rückbau nach dem Cradle to Cradle-Ansatz teilweise wieder in den Materialkreislauf integriert werden können. 

17.000 Paletten im hölzernen Hochregallager

Insgesamt kamen rund 5800 m3 Holz zum Einsatz, ein Großteil davon (4500 m3) entfällt auf das Hochregallager mit seinem innovativen Regalsystem. Dieses wurde von Kaufmann Bausysteme aus Reuthe ausgeführt. Die Statik übernahm Merz Kley Partner. Alle Hölzer (Fichte und Weißtanne), die sich in und an drei neuen Gebäuden befinden, bleiben unbehandelt. Lediglich die Fassadenverkleidung erhält eine Vorvergrauungslasur für längere Haltbarkeit. Das Holz für das Regalsystem im Hochregallager des neuen Logistikzentrums stammt aus der Steiermark. Das übrige Holz aus dem nahen Schwarzwald. 17.000 Paletten werden dort Platz finden. Damit setzt Weleda ein deutliches Zeichen für den Klimaschutz: 2600 t CO2 ließen sich durch den Einsatz des nachwachsenden und nachhaltigen Rohstoffes einsparen, heißt es vonseiten des Unternehmens. „Alternativen wären Beton oder Stahl gewesen“, erläutert Architekt Nico Santuario von der Michelgroup aus Ulm. „Und für die Außenwände hätten wir zum Beispiel Blechkassetten nutzen müssen.“ Holz steht für einen klimaschonenden Umgang mit Ressourcen, genau dafür ist der Cradle Campus gerade auch mit dem Polis Award in der Kategorie Ökologische Wirklichkeit ausgezeichnet worden.

Riesige Lehmbaustelle erforderte Pioniergeist

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Die Wände des Hochregallagers bestehen aus Stampflehm. © Marco Licht

Die ersten 8 m Außenwand des Hochregallagers auf dem Weleda Logistik-Campus bestehen aus Stampflehm. „Genauer gesagt aus Knollenmergel beziehungsweise Pelosol und aus Muschelkalk“, erläutert Matthias Schuler vom Unternehmen Transsolar Energietechnik aus Stuttgart. Beide Materialien stammen aus eigenem Bauaushub. Schuler gab den entscheidenden Impuls, Lehm für den Neubau zu verwenden. „Einerseits ist Lehm ein natürlicher, lokal verfügbarer Baustoff“, erklärt der gebürtige Schwäbisch Gmünder. „Andererseits kann Lehm Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Er sorgt also für einen natürlichen Ausgleich von Temperatur und Feuchtigkeit, atmet und lebt quasi mit dem Raum mit.“ Auf diese Weise kommt das Hochregallager voraussichtlich ohne Klimatechnik aus. Obwohl seit Jahrhunderten im Einsatz und auf der ganzen Welt erprobt, war das Thema Lehmbau auch für die ausführenden Architekten ein Wagnis. „Zu Beginn hatten wir viele Fragen“, berichtet Santuario: „Mit welchen Handwerkern setzen wir den Lehmbau um? Wie kommen wir an das nötige Material? Und wie übertragen wir eine Technik, die sonst eher im Rahmen von archäologischen Restaurationen üblich ist oder im privaten Wohnungsbau beziehungsweise bei kleineren Projekten zum Einsatz kommt, auf eine Industriegroßbaustelle? All das war Neuland und erforderte Pioniergeist.“ 

Betrieb zur Gänze ohne Gas

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Das hölzerne Hochregallager stammt aus Österreich und wurde von Kaufmann Bausysteme hergestellt. © Kaufmann Bausysteme

Eine weitere nachhaltige Besonderheit ist, dass die gesamte Anlage ohne den fossilen Energieträger Gas auskommen wird. Der gesamte Energiebedarf zum Gebäudebetrieb, einschließlich des Heiz- und Kühlbedarfs sowie des Bedarfs an Betriebsstrom, lässt sich zu 100 % durch Erdwärme und Solarstrom über dach- und fassadenintegrierte Photovoltaikanlagen decken.

Quellen: Kaufmann Bausysteme, Weleda