Wiener TU-Studenten räumen ab

Ein Artikel von Birgit Gruber | 03.06.2024 - 13:36

3:0-Heimsieg für Österreich: Über dieses Ergebnis würde man sich bei der kommenden Fußball-Europameiseterschaft wohl freuen. Im Rahmen der diesjährigen proHolz Student Trophy wurde es bereits Realität. 166 Beiträge aus zehn Ländern bewarben sich um eine Auszeichnung beim internationalen Wettbewerb, der von proHolz Austria in Kooperation mit proHolz Bayern ausgelobt wurde. Studierende aus Österreich, Deutschland, Italien, Polen, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Bosnien, Montenegro und China haben teilgenommen. Eine Fachjury kürte schließlich drei Siegerprojekte, einen Sonderpreis und sechs Anerkennungen. Dabei hatte die TU Wien dreimal die Nase ganz vorn. Der Sonderpreis ging ebenfalls dorthin.

Städtische Bauaufgaben mit Holz lösen

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Alle Preisträger mit ihren Betreuern, Juryvorsitzende und Architektin Katharina Bayer (4. v. li.), proHolz-Obmann Richard Stralz (2. v. li.) und Alexander Gumpp, Vorsitzender von proHolz Bayern (2. v. re.). © Christian Redtenbacher

Im Rahmen des Wettbewerbs unter dem Motto „woodencity“ waren Studierende der Fachrichtungen Architektur und Bauingenieurwesen eingeladen, sich eingehend mit dem Potenzial des modernen Holzbaus zur Nachverdichtung in Städten auseinanderzusetzen. Aufgabe war es, an einem von drei exemplarischen Bauplätzen in Wien bestehende Stadtstrukturen zu ergänzen, zu erweitern oder aufzustocken und mit dem Baustoff Holz zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. „Dass wir bei der fünften Ausgabe der Student Trophy die Zahl der Einreichungen nahezu verdoppeln und einen neuen Einreichrekord erzielen konnten, zeugt vom hohen Interesse der Studierenden am Baustoff Holz. Mit unserer Initiative, die gerne von Universitäten und Fachhochschulen in Lehrveranstaltungen aufgegriffen wird, stärken wir das Know-how im Umgang mit dem natürlichen Baustoff Holz bei den Planern der Zukunft und schaffen so die Voraussetzungen für den vermehrten Einsatz von Holz“, erklärte Richard Stralz, Obmann von proHolz Austria, bei der Preisverleihung am 29. Mai im großen Festsaal der TU Wien.

Auch Alexander Gumpp, Vorsitzender von proHolz Bayern, unterstrich in seiner Rede die Wichtigkeit, junge Menschen früh mit dem Baustoff Holz vertraut zu machen: „Wir stehen gerade an einem echten Wendepunkt und müssen ins Tun kommen. Ein gutes Netzwerk, bestehend aus Universitäten, Hochschulen, Meister- und Technikschulen, ist dabei unumgänglich. Ich würde mir auch in Deutschland so tolle Stiftungslehrstühle wie in Österreich, wünschen. Würden der Staat und die Politik diese Aufgabe wahrnehmen, dann gäbe es auch weniger Zeit für die Entwicklung unsinniger Bürokratien. Eine aktive Forstwirtschaft ist die Grundlage für den modernen Holzbau. Gerade wenn bürokratische Monster aus Brüssel auf uns zurollen, müssen Bayern und Österreich diesbezüglich noch enger zusammenarbeiten.“

Anonymisierte Jurybewertung

Die Wettbewerbsbeiträge wurden von der unabhängigen Fachjury anonymisiert beurteilt. „Die eingereichten Arbeiten lassen erkennen, dass die Studierenden sich eingehend mit der Bauaufgabe und mit den gängigen Holzbauweisen beschäftigt haben, um dann die passende Konstruktion für die entsprechende Aufgabe auszuwählen und einzusetzen. Die prämierten Arbeiten zeichnen sich durch ihre funktionale und architektonische Qualität, ihre städtebauliche Einbindung sowie eine durchdachte Holzbaukonstruktion aus. Darüber hinaus haben die Preisträger wichtige Zukunftsthemen aufgegriffen und spiegeln damit das Anliegen einer jungen Generation wider, mit ihrer Arbeit zukünftig auch einen Beitrag zu Klimaschutz, Ressourcenschonung und Kreislauffähigkeit leisten zu wollen“, fasst Architektin und Juryvorsitzende Katharina Bayer (einszueins architektur) die Ergebnisse des Wettbewerbs zusammen. Im Anschluss finden sich die drei ausgezeichneten Projekte, sowie der Sonderpreis.

Drei Siegerprojekte, ein Sonderpreis

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© Hasselblatt, Mäger

Die Fuge, Siegerprojekt Bauplatz 1: Erweiterung Schule

Team: Felix Hasselblatt, Finn Mäger
Hochschule: Technische Universität Wien
Institut: Architektur und Raumplanung, BML Stiftungsprofessur für Holzbau und Entwerfen im urbanen Raum
Betreuer: Juri Troy, Andreas Maximilian Arndt, Jakobus Schwarz

Jurybewertung: Die Schulerweiterung dockt direkt am Bestand an und orientiert sich an diesem in Kubatur und Größe. Es entstehen zwei gleichwertige Schulen. Die Volks- und Mittelschule teilen sich die Erschließung, die Gemeinschaftsfunktionen von Aula bis Mensa und die neu entstehenden Dachflächen. Der Grundriss im Bestand wird so umorganisiert, dass die schlechter belichteten Bereiche zu Nebenräumen umfunktioniert werden. Die Raumdimensionen des Bestands werden im Neubau übernommen. Für den Holzbau ergeben sich dadurch sehr wirtschaftliche Deckendimensionen mit moderaten Spannweiten. Holzbautechnisch ist der Entwurf also gut umsetzbar, lediglich die Details sind noch zu wenig durchdacht. Der Entwurf überzeugt sowohl durch seinen städtebaulichen und funktionalen Ansatz als auch hinsichtlich seiner Umsetzbarkeit als ressourcenschonender Holzbau. Er ist sehr platzsparend und ökonomisch. Durch die kompakte Setzung, die kluge Verwebung von Alt und Neu und die gemeinsame Nutzung von Räumen spart er Material- und Raumressourcen und schafft gleichwertige Qualitäten für beide Schulen. Zugleich erhält dieser Ansatz als einziger den Baumbestand am östlichen Rand des Grundstücks und bietet damit einen Mehrwert für die gesamte Umgebung.

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© Huber, Michel, Faul

Holzriegel Hof, Siegerprojekt Bauplatz 2: Ergänzung Blockrand

Team: Maximilian Huber, Aaron Michel, Robert Faul
Hochschule: Technische Universität Wien
Institut: Institut für Architekturwissenschaften, Forschungsbereich Tragwerksplanung und Ingenieurholzbau
Betreuer: Peter Bauer, Alireza Fadai, Bernhard Holletschek

Jurybewertung: Der Holzriegel Hof baut auf der bestehenden Tiefgarage auf, schließt den Blockrand mit einer fünfgeschoßigen Bebauung über die ganze Länge der Inzersdorfer Straße und schafft dadurch einen großen, begrünten, gemeinsamen Innenhof als Mehrwert für den Bestand. Die Erschließung der Wohnungen erfolgt über einen hofseitigen Laubengang aus Stahlbeton. Vor dem Laubengang liegen drei frei stehende Baukörper mit zusätzlichen kleinen Wohneinheiten. Im Sockel befinden sich straßenseitig gewerbliche Nutzungen, hofseitig sind Gemeinschaftsräume angeordnet. Auch die Gestaltung der Fassaden differenziert zwischen Straßen- und Hofseite: Die Straßenfassade hat eine an den benachbarten Ziegelbau angelehnte rötliche Farbgebung und fügt sich damit gut ins Straßenbild ein. Die hofseitigen Baukörper sind farbig gestaltet und beleben das Erscheinungsbild. Der Neubau ist als Holzmassivbau mit einer Holz-Lehm-Decke über dem Erdgeschoss konzipiert. Die Verbindungen der einzelnen Bauteile, der Wände und Decken aus Brettsperrholz und der Holzrahmenbau-Elemente für die Außenwände, sind mit dem Gedanken der Kreislauffähigkeit leimfrei und rückbaubar konzipiert. Das Projekt besticht durch seine unaufgeregte Haltung, die den Bestand respektiert, weiterschreibt und aufwertet. Die holzbautechnisch gut durchdachte Konzeption und Durcharbeitung spielt die Stärken des Holzbaus gut aus.

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© Weyrich, Mullins

Zusammen im Zehnten, Siegerprojekt Bauplatz 3: Aufstockung Bestand

Team: Jeff Weyrich, Johanna Mullins
Hochschule: Technische Universität Wien
Institut: Architektur und Raumplanung, BML Stiftungsprofessur für Entwerfen und Holzbau im urbanen Raum
Betreuer: Juri Troy, Andreas Maximilian Arndt, Jakobus Schwarz

Jurybewertung: Das Projekt Zusammen im Zehnten überzeugt gleich auf mehreren Ebenen. Die Aufstockung verbindet innovative Typologien für Wohnen, Arbeiten und Gemeinschaft in zwei aufgesetzten Riegeln auf dem Straßen- und Hoftrakt. Innovativ sind auch die Überlegungen zur Holzbauweise. Das bestehende Dach wird entfernt, auf einer neuen lastabtragenden Decke werden dreidimensionale Raumzellen aus Holz in Kombination mit Massivholzdecken gestapelt. Dabei werden immer zwischen die Raummodule die Decken aus Brettsperrholz eingehängt. Das erlaubt einen hohe Vorfertigungsgrad sowie einen ökonomischen und ressourcenschonenden Einsatz von Holz. Die Mischung aus Raummodulen und Elementen ist auch in Bezug auf die Grundrisse konsequent durchdacht. Der Entwurf respektiert den Bestand, dazu passt auch die einfach gestaltete Holzfassade.

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© Donath, Heuser, Knemeyer

REUP, Sonderpreis der Jury, Bauplatz 3: Aufstockung Bestand

Team: Valentin Donath, Sarah Heuser, Elisa Knemeyer
Hochschule: Technische Universität Wien
Institut: Institut für Architekturwissenschaften, Forschungsbereich Tragwerksplanung
Betreuer: Peter Bauer, Alireza Fadai, Bernhard Holletschek

Jurybewertung: Das Projekt REUP stellt das Thema der Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt der Überlegungen. Die Studierenden gehen zuallererst aufmerksam durchs Haus und schauen, welche Baumaterialien sie in ihren Entwurf übernehmen können. Sie versetzen die gusseiserne Stahlkonstruktion der Innenhofüberdachung auf das Dach und nutzen sie als Gemeinschaftsraum. Das Bestandsdach dient als verlorene Schalung. Auch wenn der Entwurf gestalterisch und funktional recht kleinteilig ist und nicht ganz ausgereift wirkt, ist es ein erfrischender Beitrag im Umgang mit dem Bestand. REUP greift ein wichtiges Zukunftsthema auf und zeigt, dass sich durch Reuse auch der Planungsprozess und die Architektur verändern werden.

Quelle: proHolz Austria