Der „schwingende“ Dachboden

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 16.01.2025 - 07:49
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Dr. Bernd Haintz, Wirtschaftskammer Steiermark © Wirtschaftskammer Steiermark

Der auf der öffentlichen Straße vorbeifahrende Schwerverkehr verursacht – aufgrund einer Straßenunebenheit samt zweier Straßenkappen – Erschütterungen, die im Bereich des Dachbodenausbaus, in dem sich die Wohnung des Klägers befindet, zu Schwingungen führen. Die Erschütterung durch den Schwerverkehr regt die Eigenfrequenz des Dachgeschoßausbaus mit einem Stahltragwerk an. Das ungünstige Verhältnis der Anregungsfrequenzen zu den Bauwerkseigenfrequenzen führt in dem Bereich des Dachgeschoßausbaus, in dem die Wohnung des Klägers liegt, zu einer zusätzlichen Resonanzverstärkung und ist insofern ursächlich mit den hohen, in der Wohnung spürbaren Erschütterungen verbunden. Durch den die Eigenfrequenz des Dachgeschoßausbaus anregenden Schwerverkehr kommt es in der Wohnung des Klägers auch in den Nachtstunden zu sogenannten Schwingbeschleunigungen, die den zulässigen Richtwert gemäß der einschlägigen ÖNORM S 9012 regelmäßig um ein Mehrfaches überschreiten. Zusammengefasst – es ist sehr laut in der Wohnung. Und ein wichtiger Hinweis auch im Urteil: Dies war bereits beim Kauf bzw. bei der Übergabe der Wohnung der Fall.

Es galt nun die Frage zu klären, ob hier ein Gewährleistungsanspruch besteht. Dabei haftet man dafür, dass die Sache, also die Dachgeschoßwohnung, die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat. Kann diese also entsprechend genutzt und verwendet werden?

Bereits die ersten zwei Instanzen waren sich einig: Auch beim Kauf einer Eigentumswohnung an einer viel befahrenen Straße im Stadtgebiet kann man erwarten, dass darin keine Schwingungen auftreten, die die einschlägigen Richtwerte regelmäßig um ein Mehrfaches übersteigen. Der Verkäufer der Wohnung meinte allerdings, dass dieser Mangel nicht ihm zuzurechnen wäre. Also quasi, man könne ja nichts dafür, dass es diese Schwingungen gäbe.

Dabei wird aber verkannt, dass das Gewährleistungsrecht verschuldensunabhängig ausgestaltet ist. Daher lautet die Frage: Ist die Wohnung mangelfrei oder nicht? Und das ist sie zweifelsfrei nicht.

Auch kam als Argumentationsversuch, dass im Falle der Verbesserung des Straßenzustands die in der Wohnung des Klägers spürbaren Erschütterungen derart reduziert würden, dass die diesbezüglichen Richtwerte eingehalten würden. Vergeblich, denn „was wäre, wenn“ spielt es im vorliegenden Fall eben auch nicht.

Das Einzige, das der OGH zugestand, war, dass eine technische Möglichkeit und die Wahrscheinlichkeit der von einem Dritten veranlassten Mängelbehebung durch Verbesserung der Straßenbeschaffenheit bei der Höhe der Preisminderung Berücksichtigung finden können. Aber Mangel bleibt dennoch Mangel. Und hier zählt der Zeitpunkt der Übergabe. Preisminderung wurde deswegen begehrt, weil der beklagte Verkäufer die Verbesserung des Mangels abgelehnt hatte, sodass der Kläger Anspruch auf Preisminderung habe. Und er behauptete richtigerweise, dass der Verkehrswert der Wohnung durch den Mangel verringert sei. Der OGH stimmte damit überein