Schallübertragung sichtbar machen

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 23.12.2024 - 10:43

Zwei Experten, die sich intensiv mit Fragen zum Schallschutz im Holzbau beschäftigen, sitzen in Ober-Ramstadt in Hessen. Dr. Ayman Bishara, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Dr. Robert-Murjahn-Institut, und Akustikingenieurin Verena Brettschneider haben an ihrem Institut die Themen Bau- und Raumakustik nach vorne gebracht und nutzen nun ganz neue Messmethoden zur Identifizierung von Schallbrücken. Für die beiden ist es essenziell, zu jeder Zeit die Hygrothermik in das Schallthema einzubeziehen.

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Dr. Ayman Bishara und Verena Brettschneider vor dem Akustikprüfstand am Dr. Robert-Murjahn-Institut © Dr. Robert-Murjahn-Institut

Bei Akustikmessungen setzen Sie eine ganz neue Messmethode ein, nämlich eine Akustikkamera. Wie funktioniert diese Messung? 

Die Akustikkamera ist ein leistungsstarkes Messsystem zur präzisen Lokalisierung und detaillierten Analyse von Schallquellen. Es ermöglicht die Echtzeit-Visualisierung der  akustischen Daten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Schalldruckmessungen werden bei dieser Methode zahlreiche Mikrofone eingesetzt, welche die Schalldruckpegel und Zeitdifferenzen messen. Ein Prozessor erstellt aus den erfassten Daten ein farbiges „akustisches Bild“, welches über ein optisches Foto gelegt wird, um die jeweiligen Schallquellen sichtbar zu machen. Die Darstellung ist vergleichbar mit einer Wärmebildkamera. Diese Technik erweist sich insbesondere in lauten Umgebungen als vorteilhaft, da sie eine schnelle Ursachenforschung akustischer Probleme ermöglicht. Zudem können „akustische Videos“ erstellt werden, welche die Ausbreitung von Schall visualisieren und dadurch tiefere Einblicke in akustische Phänomene bieten.

Wo kann die Akustikkamera eingesetzt werden und welchen Vorteil bietet sie im Gegensatz zu anderen Messmethoden? 

Die Akustikkamera findet in der Bauakustik Anwendung, um Lärmquellen und Schallwege präzise zu lokalisieren. Dies erfolgt beispielsweise bei Heizungsanlagen oder Lüftungssystemen. Die Akustikkamera ermöglicht die Identifikation konstruktiver Schwachstellen sowie die Überprüfung der Schalldämmung. In der Planungsphase unterstützt sie die Analyse von Umgebungsgeräuschen. Ihre räumliche Visualisierung und Echtzeitmessung führen zu einer Reduktion von Zeit und Kosten. Zudem eignet sie sich für Innen- und Außenbereiche und kann mit anderen Messmethoden kombiniert werden, um umfassendere Analysen durchzuführen, beispielsweise zur Untersuchung von Luftleckagen und Schalldämmproblemen.

Wir wissen aus der Praxis, dass sich Akustikanforderungen oft mit jenen der hygrothermischen Bauphysik widersprechen. Inwiefern beziehen Sie diese Wechselwirkung zwischen Schall- und Wärmeschutz in Ihre Untersuchungen mit ein? 

In der Praxis stehen die Anforderungen an den Wärmeschutz und den Schallschutz oft in einem Konflikt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass für den Wärmeschutz leichte, flexible Materialien erforderlich sind, während für den Schallschutz dichte, schwere Materialien benötigt werden. Die auseinandergehenden Anforderungen können sich gegenseitig beeinträchtigen. Um beide Aspekte zu optimieren, ist eine Betrachtung der Materialien und Bauweisen als ein zusammenhängendes System erforderlich. Ein Prüfgebäude mit modularen Prüfständen ermöglicht die Untersuchung der Wechselwirkungen in einem umfassenden Rahmen. Mithilfe einer Akustikkamera werden Schallbrücken und Luftleckagen analysiert. Das Ziel besteht in der Entwicklung innovativer Baustoffe, die sowohl akustischen als auch hygrothermischen Anforderungen gerecht werden.

Können Sie ein Praxisbeispiel nennen, bei dem Ihnen der Wert der Akustikkamera ganz deutlich zugutekam? 

Ein besonders aufschlussreiches Praxisbeispiel für den Einsatz der Akustikkamera ergab sich sich in Zusammenarbeit mit der Synthesa Gruppe in Österreich während einer Untersuchung für einen Fertighaushersteller. In diesem Fall haben wir die Schallübertragung zwischen zwei benachbarten Häusern untersucht. Diese standen einige Meter auseinander und es war zunächst unklar, über welche Wege die Schallübertragung stattfand, denn im Nachbarhaus war deutlich zu hören, wenn im ersten Haus jemand die Treppe runterging. Durch den Einsatz der Akustikkamera konnten verschiedene Schallwege lokalisiert und sichtbar gemacht werden. Hieraus konnten wir dann gezielte Maßnahmen entwickeln und vorschlagen, die nicht nur effektiv, sondern auch kosteneffizient waren. Der ursprüngliche Ansatz, mehrere Fenster auszutauschen, wäre nicht ausreichend zielführend gewesen. Letztendlich war es eine Kette von Faktoren, welche allein für sich gesehen kein Problem dargestellt hätten.

Wo liegt der konkrete Vorteil für den Holzbauunternehmer? 

Aufgrund des geringen Gewichts des Materials kann es im Holzbau zu Hellhörigkeit kommen, sofern der Schallschutz nicht ausreichend berücksichtigt wird. Dies stellt eine Herausforderung für die bauakustische Planung dar, da für zahlreiche Bauformen keine exakten Berechnungsverfahren existieren. Die Akustikkamera eröffnet ein breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten, welches den gesamten Prozess von der Planung bis zur Reklamationsbearbeitung umfasst. Die beschriebene Vorgehensweise ermöglicht eine zeitnahe und visuelle Analyse von Schallproblemen, beispielsweise an Anschlüssen von Böden und Decken, und trägt somit zur Vermeidung von Schallbrücken bei. Dies führt zu einer Optimierung der Qualitätssicherung, einer Reduktion von Reklamationen sowie einer Steigerung von Effizienz, Kostenersparnis und Kundenvertrauen. Letzteres wirkt sich wiederum positiv auf die langfristige Wettbewerbsfähigkeit aus.

Gerade im Bereich des seriellen Bauens, wo es um Wiederholung geht, kommen die Vorteile stark zu tragen. Wie gestalten sich hier die Möglichkeiten der Unterstützung? 

Der Einsatz der Akustikkamera eröffnet zusätzlich zu den bisherigen Vorteilen im Rahmen des seriellen Bauens weitere Möglichkeiten zur Qualitätssicherung und Prozessoptimierung. Insbesondere bei der Entwicklung seriell gefertigter Bauteile kann die Akustikkamera bei der Fertigung zum Einsatz kommen, um Testmodule auf ihren Schallschutz zu prüfen. Dies ist insbesondere von Bedeutung, um das Verhalten der Bauteile bei Schall- und Wärmeschutzmaßnahmen zu analysieren. In der neu errichteten bauphysikalischen Prüfhalle in Ober-Ramstadt erfolgt die Untersuchung der akustischen und hygrothermischen Eigenschaften von Bauteilen unter Zuhilfenahme modularer Prüfstände. Die Durchführung von Kombinationsprüfungen ermöglicht eine flexible, zeit- und kostensparende Analyse, bei der die Akustikkamera in der Lage ist, Schall- und Luftleckagen schnell und ohne Zerstörung zu identifizieren. Die Anwendung dieser innovativen Methoden resultiert in einer Steigerung der Bauqualität und -effizienz, während gleichzeitig Fehler, Bauzeit und Kosten reduziert werden. Dies führt zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit und einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Gleichzeitig wird eine nachhaltigere und ressourcenschonendere Bauweise gefördert.

Wie fallen die ersten Rückmeldungen von österreichischen Holzbauunternehmern aus?

Die Akustikkamera wurde im vergangenen Jahr auf der Tagung Holz_Haus_Tage 2023 erstmals einem breiteren Publikum präsentiert. Dabei wurde eine Vielzahl an Praxisbeispielen und Anwendungsmöglichkeiten vorgestellt. Die Reaktionen der Unternehmer waren durchweg positiv. Insbesondere die Möglichkeiten der Qualitätsüberwachung und Problemanalyse wurden von den Befragten gelobt. Im Rahmen einiger Projekte mit der Synthesa Gruppe in Österreich wurden Messungen an drei unterschiedlichen Objekten durchgeführt, wodurch die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Akustikkamera demonstriert wurden. Die Auftraggeber schätzen die Möglichkeit einer zeitnahen Messung sowie einer anschaulichen Problemerkennung, was zu einer Reduktion der Kosten sowie der Erstellung von hochwertigen Auswertungen führt. Die transparente, visuelle Darstellung der Ergebnisse fördert das Verständnis bei Bauherren, was zu einer Vertrauensbasis führt und die Kommunikation erleichtert. Der Einsatz der Akustikkamera  ermöglicht  demnach eine signifikanten Reduktion der Kosten sowie einer Steigerung der Kundenzufriedenheit. Dies etabliert die Unternehmen als kompetente Partner im Holzbau.