Das Apartmenthaus besteht aus sieben kleineren und zwei größeren Wohneinheiten; die obersten mit den besten Ausblicken als Penthouse mit höherem Komfort. © Defrancesco Photography
Die mit knapp 4600 Einwohnern beschauliche Gemeinde Fieberbrunn liegt am Rande des Skicircus Saalbach-Hinterglemm-Leogang-Fieberbrunn und wird jedes Jahr in den schneereichen Monaten zum Hotspot für Wintersportfans. Auch im Sommer hat die Region faszinierende Natur- und Berglandschaften zu bieten. Schon die Großeltern von Bauherrin Katharina Anna Trixl haben an diesem Ort Gästezimmer vermietet und Tourismus betrieben. Mit der Erbschaft eines Grundstückes vom Patenonkel bot sich Trixl 2019 die Gelegenheit, gemeinsam mit ihrem Partner Bernhard Vötter ein eigenes Apartmenthaus in bester Ski-in-Ski-out-Lage direkt neben der Seilbahnstation zu planen und 2022 zu eröffnen. Der Beherbergungsbetrieb mit Blick auf die Kitzbüheler Alpen entstand als Ersatzneubau an Stelle eines alten Hauses, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde. Holzbau-Meister Johannes Rettenwander aus St. Ulrich am Pillersee und Architekt Philipp Eckert aus Zürich erhielten dabei den Auftrag, ein Raumkonzept zu entwickeln, das auf eine maximale Nutzung von Eigenholz setzt. Das Holz sollte in der gesamten Gestaltung sichtbar bleiben, um der regionalen Baukultur gerecht zu werden. „Da mein Großvater ein angesehener Zimmermann bei uns im Ort war und ich gemeinsam mit ihm im gleichen Haushalt aufgewachsen bin, habe ich einen besonderen Bezug zum Holzbau, da ich schon als Kind in der Werkstatt mit dabei sein durfte. Zudem bin ich in einer bäuerlichen Familie mit starkem Bezug zu Tradition und Regionalität aufgewachsen“, erzählt die Bauherrin.
überholz verbindet zu außergewöhnlichen Bauaufgaben
Das Duo aus Österreich und der Schweiz lernte sich im Zuge des berufsbegleitenden Masterlehrganges überholz an der Kunstuniversität Linz kennen. Auf der Suche nach einem praktischen Beispiel für ihre Masterarbeit im Juli 2019 zum Thema „Eigenholznutzung“ trafen sich die Interessen der Holzbauprofis mit den Visionen von Trixl und Vötter. Eckert, ein gelernter Zimmermann, der im zweiten Bildungsweg Architektur studiert hat, war fasziniert vom großen Vertrauen, das die Familie den Planern entgegenbrachte. „Authentische und gelebte Gastfreundlichkeit im Verbund mit der Liebe zu Natur und Heimat. Was zuerst einmal wie ein Heimatfilm oder ein kitschiger Bergroman klingt, sind Herzensanliegen, Vision, Leidenschaft von Katharina Anna Trixl und Bernhard Vötter, denen sich die einmalige Möglichkeit bot, sich mit dem Apartmenthaus einen Lebenstraum zu erfüllen“, bringt es Eckert im Fallbeispiel zu Papier. holzbau austria erzählt er: „Das Spannendste für mich war, dass der Vater der Bauherrin das Holz aus dem eigenen Wald liefern und die Familie bei der Errichtung der Fassade mithelfen wollte.“
Sonderfall Kalamitätsholz
Im Besitz der Familie Trixl befinden sich 6 ha Wald. Mit „Holz aus dem eigenen Wald“ meinte die Familie in erster Linie Schadholz, das durch große Mengen an Neuschnee im Zeitraum von 1. bis 15. Januar 2019 im Tal angerichtet wurde. Die Folgen waren Wipfelbrüche und massive Schneedruckschäden in den Wäldern. „Hinzu kam ein enormer Preisverfall der Leitsortimente, denn auch in anderen Regionen und in den Nachbarländern gab es zu der Zeit aufgrund von Stürmen und Borkenkäferbefall Unmengen an Kalamitätsholz“, weiß Rettenwander. Dementsprechend gering fielen Qualität und Längen der Holzstämme aus. Mit einem detaillierten Holzauszug konnten sich die Planer relativ schnell einen ersten Überblick über den Bedarf an Konstruktionsvollholz für Außen- und Innenwände verschaffen. Nach dieser Liste wurde das Schadholz von einem mobilen Sägewerk eingeschnitten und vor Ort getrocknet. Für sichtbare Holzdecken wurde im September 2020 noch zusätzliches Bauholz geschlägert. „Regional heißt für mich, dass man sich kennt und vertraut. Vertrauen war gerade bei diesem Projekt Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss“, merkt Rettenwander an.
Vergleich von möglichen Deckensystemen
Der Holzbau-Meister hat den Planungsprozess maßgeblich geprägt, indem er die Konstruktionsdetails zur Verwendung von Eigenholz für die Decke, den Außenwandaufbau und das Dach festlegte. Schon zu Beginn wurden die Architekten angewiesen, diese Konstruktionsvorgaben als Grundlage für ihre Entwürfe zu berücksichtigen. Mittels einer Auflistung von Vor- und Nachteilen wurde zusätzlich ein Vergleich von möglichen Deckensystemen für das Projekt angestellt. Daraus ergab sich die Holz-Beton-Verbunddecke mit Schubkerven als geeignetste Wahl. Mit der Vorfertigung der Holzelemente konnte schließlich im April 2021 begonnen werden. Die Aufbetonschicht wurde direkt auf der Baustelle aufgetragen. Das Decken- und Wandsystem des Apartmenthauses basiert auf einer Mischung aus Skelettkonstruktion an der Südseite und Holzrahmenbau. Die Decke hat ein zweiachsiges Tragverhalten. „Durchdacht sind auch die statischen Lösungsansätze der Tragkonstruktion mit den versteckten Überzügen sowie die gewählten Schwalbenschwanzverbindungen bei der innenliegenden Schalung als Alternative zu Folienwerkstoffen. Gedämmt ist das Gebäude mit Zellulose, die vor Ort eingeblasen wurde“, ergänzt Rettenwander. Aus technischer Sicht ganz wesentlich sei laut Holzbau-Meister auch, dass alle Leitungen in zwei Installationsschächten platziert wurden, die dann in den Technikraum im Untergeschoß münden. Das grundlegende Prinzip, maximal viel Eigenholz im Projekt zu verbauen, verlangte den Projektbeteiligten so einiges ab. Mit der Fachkompetenz von Hannes ist unser Team an der gestellten Aufgabe gewachsen. Entstanden ist eine gemeinsame Arbeit, die den gestellten Anforderungen mehr als genügt. Der vertrauensvolle Umgang miteinander, die Wertschätzung für das andere Fachwissen und die Freude darüber, zusammen zu konstruieren, ist praktizierte Holzbaukultur“, freut sich Eckert.
Fassade aus geviertelten Baumstämmen
Der entstandene dreigeschoßige Beherbergungsbetrieb füllt nun gekonnt eine Lücke und respektiert mit seiner Größe die bebaute Kulturlandschaft, die aus traditionellen Bauernhöfen besteht. Dennoch hebt sich der moderne Holzbau mit seiner Fassade gekonnt ab. „Die Fassade, in Kombination mit dem konstruktiven Holzbau, ist die Visitenkarte des Hauses und soll in der belebten Umgebung das Interesse wecken und Werbung für das Haus machen. Geviertelte Baumstämme zeigen die Nutzung von Eigenholz nach außen und zitieren gemeinsam mit der vertikalen Fassade auf den Wetterseiten die historischen Höfe in der Nachbarschaft“, erklärt Eckert. Gerade bei der Fassade erbrachte die Bauherrenfamilie viel Eigenleistung und montierte gemeinsam mit den Zimmerern vor Ort die horizontale Verkleidung im Osten.
Ein Paradies für gestresste Großstädter
Die hohe Qualität des Gebäudes im Inneren schätzen vor allem Gäste aus dem urbanen Bereich. Sie stellen auch gerne ihr Auto in der unter dem Haus liegenden Tiefgarage ab, um den Rest des Urlaubs auf Ski oder Snowboard umzusteigen. „Das Haus besteht aus sieben kleineren und größeren Wohneinheiten; die obersten mit den besten Ausblicken als Penthouse mit höherem Komfort. Im Erdgeschoß ist eine Wohnung für den Patenonkel vorgesehen. Ein eigener Eingang schafft Privatsphäre und Ruhe im Betrieb des Gästehauses. Für den Fall, dass der Tourismus einmal einbrechen sollte, können die Apartments auch als Wohnungen weitervermietet werden. Eine mögliche Umnutzung im Erdgeschoß könnte Platz für einen kleinen Hofladen oder eine Skibar bieten“, weiß der Architekt. Ein Empfangsbereich und Nebenräume für die Vermieter runden das Angebot ab.
Projektdaten
Standort: Fieberbrunn
Bauherren: Katharina Trixl und Bernhard Vötter
Eröffnung: Sommer 2022
Architektur: Eckert Architekten
Tragwerk, Projektleitung, Holzbauplanung: Hannes Rettenwander
Holzbau: Josef Foidl
Holzmenge: ca. 240 m³ Kantholz (Eigenholz in Fichte und Tanne) in Kombination mit ca. 30 m³ Brettschichtholz; ca. 1000 m² Eigenholz (Schalungen und Täfer)