In der Hamburger HafenCity wird seit ein paar Jahren viel gebaut. Eine Fotoaufnahme in Zeitraffer würde nur hektische Baukräne zeigen, die von einer Seite zur anderen flitzen. Deutschlands Hansestadt wächst dort mit dem größten innerstädtischen Stadtentwicklungsprojekt Europas am Wasser. Der jüngste Zuwachs ist nachhaltig. Der Holzbau für Turm, Querbau und Riegelgebäude von „Roots“ wurde in nur 16 Monaten fertig montiert. Am 23. August 2023 fand das Richtfest statt. „Ein Meilenstein für den urbanen Holzbau in Deutschland und die Ingenieurholzbauer von Rubner aus Augsburg“, hörte man damals aus dem Unternehmen, das für die technische und konstruktive Realisierung verantwortlich zeichnet. Bei der Errichtung von Roots waren der Vorfertigungsgrad und die werksseitige Ausführung der Holzrahmenbau-Außenwände äußerst komplex. So wurden die bis zu 14 m langen, 3,2 m hohen und zum Teil über 6 t schweren Elemente nicht nur als lineare, sondern bereits als räumliche Module vorgefertigt. Andreas Fischer, Geschäftsführer von Rubner in Augsburg, zeigte sich zufrieden: „Wir sind Ende 2020 mit Eifer, aber auch Respekt ans Werk gegangen, Deutschlands höchstes Holzhochhaus zu bauen. Nun sehen wir den Holzrohbau mit fertiger Fassade als einen echten Meilenstein im Ingenieurholzbau. Die hier in nur 16 Monaten in der Holzbaumontage realisierte Tragwerksstruktur, für die die lastabtragenden Stützen der Holzgeschoße bereits im Werk in die Wandelemente integriert wurden, macht Roots zu einem Best Practice-Beispiel, an dem sich mittlerweile ähnlich gelagerte Holzbauprojekte orientieren.“
Konstruktiver Holzbau wuchs über sich hinaus
In diesem Jahr wurde das mit 72 m aktuell höchste Holzgebäude Deutschlands bezogen. Rubner war bereits in einer sehr frühen Phase – weit vor der Werkstatt- und Montageplanung für den Holzbau – in die Ausführungsplanung involviert. Die technischen Eckdaten des Projekts beeindrucken: Die werkseitig vorgefertigten Wandelemente in Holzrahmenbauweise haben eine Gesamtfläche von 16.200 m². Insgesamt wurden mehr als 5500 m³ Nadelholz verarbeitet, darunter 4430 m³ Brettsperrholz und 820 m³ Sonderhölzer. Das Primärtragwerk des markanten Turms setzt sich aus hochlastabtragenden Außenwänden in vorgefertigter Elementbauweise sowie Massivholzdecken zusammen, ergänzt um einen tragenden Innenwandring. „Die Decken bestehen aus 240 bis 280 mm dickem Brettsperrholz, das in den geschützten Außenbereich ragt und mit Betonfertigteilen für die umlaufenden Loggien vervollständigt wird. Eine zusätzlich montierte Glasfassade sorgt für den notwendigen Brandschutz, UV-Schutz und Feuchteschutz des Holzes. Alle nichttragenden Wände des Gebäudes werden in traditioneller Trockenbauweise realisiert“, informiert Rubner.
181 neue Wohnungen entstanden
Bei der technischen Realisierung setzen die Hamburger Architekten von Störmer Murphy and Partners und Garbe Immobilien-Projekte als Bauherr also auf eine Holzhybridbauweise. Lediglich Unter- und Erdgeschoß des Hochhauses sowie die Erschließungskerne sind in Stahlbetonbauweise ausgeführt. 16 von insgesamt 20 Nutzgeschoßen wurden mit dem ökologischen Baustoff errichtet. „Die Prämisse war, mit dem Rohstoff Holz verantwortungsvoll umzugehen. Die Holzstützen in den Wandelementen sind deshalb auf das statisch notwendige Mindestmaß reduziert. Zudem wurden solche Verbundkonstruktionen aus Holz und Beton vermieden, die sich nicht sortenrein voneinander trennen lassen. Stattdessen sind Brettsperrholz-Decken verbaut, die untereinander verschraubt sind und später demontiert werden können“, wissen die Architekten. Im Hochhaus mit fünfeckigem Grundriss befinden sich die Ausstellungsräume, Verwaltung und Büros der Deutschen Wildtier-Stiftung sowie private Wohnungen. Im mit insgesamt sieben Geschoßen (sechs davon in Holzbauweise) niedrigeren, L-förmig angeschlossenen Baukörper sind ebenfalls Wohnungen untergebracht. Es entstanden insgesamt 181 Einheiten, davon 128 Eigentumswohnungen und 53 öffentlich geförderte. Den Nutzern stehen zudem etwa 97 Tiefgaragenstellplätze und 500 Fahrradabstellplätze zur Verfügung.
Best Case: Städte mit Holz nachverdichten
Die Wohnnutzung wird um einen 600 m² großen, begrünten Innenhof ergänzt, der von Loidl Landschaftsarchitekten gestaltet wurde. Außerdem gibt es einen Yogaraum mit einer Terrasse für die künftigen Bewohner. Im Erdgeschoß befinden sich zusätzlich etwa 540 m² Gastronomiefläche, die mit einer Terrasse und Loggia ausgestattet sind. Für Fabian von Köppen, Geschäftsführer der Garbe Immobilien-Projekte, ist Roots ein Referenzobjekt für die klimaneutrale Nachverdichtung der Innenstädte mit dem Baustoff Holz: „Roots steht für unsere Vision, Städte durch den Baustoff Holz klimaneutral nachzuverdichten. Unser Ziel war es, gemeinsam mit allen Beteiligten an diesem Projekt zu wachsen. Wir wollten einen Best Case schaffen, der buchstäblich Wurzeln schlägt.“
Hohe Signalwirkung
Auf Auftraggeberseite ist man sich also der Signalwirkung dieses zukunftsweisenden Bauprojekts bewusst. Von Köppen erklärt: „Wir sehen die Chance, aktiv einen Beitrag zu einer umweltgerechten Lebensweise zu leisten. Deshalb war es uns wichtig, den Blick auf die Natur zu ermöglichen und gleichzeitig im urbanen Raum zu bleiben. Aus unserer Vision wird mit Roots eine Mission. Wir möchten einen Impuls setzen und aufzeigen, was in der Projektentwicklung möglich ist.“ Tobias Hertwig ergänzt: „Die für dieses Bauvorhaben nötige Expertise im Ingenieurholzbau sowie in der Projektdurchführung fanden wir bei Rubner Holzbau. Wir hatten die richtigen Partner an unserer Seite.“ Roots hebt sich mehrfach durch seinen Fokus auf Nachhaltigkeit hervor. Schon in der Planungsphase erhielt das Projekt das Umweltzeichen in Platin der HafenCity. Darüber hinaus wurde das Gebäude von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert.
Projektdaten
Standort: Hamburg, Deutschland
Bauherr: Garbe Immobilien-Projekte, Deutsche Wildtier-Stiftung
Bauzeit: 2020 bis 2023
Holzbauarbeiten: Q2/2022 bis Q3/2023
Architektur: Störmer Murphy and Partners
Tragwerksplanung: Assmann beraten+planen
Holzbau: Rubner Ingenieurholzbau Augsburg
Verbaute Holzmenge: über 5500 m³ Nadelholz für die Konstruktion (Innen- und Außenwandelemente: Holzrahmenbau, Deckenelemente: Brettsperrholz)
Bruttogeschoßfläche: 20.600 m²