Aus der Kinderperspektive

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 22.11.2023 - 16:05
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Das Kinderhaus Kreuzfeld  in Altach fügt sich in ein Quartier von vier Wohnbauten ein und bietet die Möglichkeit der Ganztagesbetreuung für Kinder von eineinhalb bis sechs Jahren. © Dominic Kummer

Nahe dem Zentrum von Altach in Vorarlberg entsteht derzeit ein neues Quartier. Müller Wohnbau errichtet vier Baukörper in Mischbauweise. Da verkehrsbefreit, gibt es rundum keine Parkplätze, jene liegen im Untergrund, nämlich in einer Tiefgarage unter dem fünften und zentralen Gebäude des Quartiers – dem mitgedachten Kindergarten. Während sich die Wohngebäude noch in Bau befinden, wurde das „Kinderhaus Kreuzfeld“ bereits im April dieses Jahres offiziell eröffnet.

Für die Planung des gesamten Quartiers zeichnen Innauer Matt Architekten verantwortlich. „Bei Kindergärten handelt es sich um eine spezielle Bauaufgabe, wenn man das aus Sicht des Kindes sieht“, erklärt Sven Matt, der zusammen mit Markus Innauer ein Architekturbüro in Bezau führt. „Kindergärten sind das erste Haus, das Kinder außerhalb der eigenen vier Wände betreten.“ Als Vater weiß Matt, dass in der sogenannten Eingewöhnungsphase ein Abnabelungsprozess stattfindet. „Wenn man das selbst erlebt hat, dann achtet man verstärkt darauf, dass dieser ‚Übergang‘ durch die Architektur erleichtert wird. Wir wollten den Kindern eine wohnliche, sehr entspannte Atmosphäre für diese Erfahrung bieten.“

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Durch einen gleichmäßigen Mix aus offenen Bereichen und Rückzugsorten sorgt die Holzbauarchitektur des Kindergartens für eine Wohlfühlatmosphäre für jede Stimmung. © Dominic Kummer

Erhöhtes Platzangebot

Generell spiegelt sich in der zeitgenössischen Architektur von Kindergärten eindrücklich die Veränderung der pädagogischen Konzepte über die Jahre hinweg. „Spannend ist der Vergleich von Kindergärten, die ich aus meiner Kindheit kenne, mit jenen, die wir heute bauen. Mein Kindergarten war ein großer Raum mit Puppen-, Bau- und Bastelecken, Garderobe und WC.“ Seitdem hat sich viel verändert. „Kinder und auch die Pädagogen haben heute viel mehr Fläche, im positiven Sinn, zur Verfügung.“ Aber nicht nur das, durch den Gesellschaftswandel und veränderte Anforderungen, beispielsweise die Notwendigkeit von Ganztagesbetreuung, braucht es auch neue Funktionen, wie einen Raum, wo die Kinder schlafen können. 

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© Dominic Kummer

Aus all diesen Anforderungen heraus, gepaart mit hohem architektonischem Anspruch, ergab sich ein Kindergarten mit viel Raum, Licht und Begegnungszonen. In das durchdachte architektonische Konzept fügt sich die Holzbauweise. „Der Holzbau trägt zur atmosphärischen Qualität eines Raumes bei und spielt hier in diesem Kinderhaus eine ganz große Rolle. Auch durch die Holzbauweise ergibt sich eine naturnahe, entspannte Atmosphäre für die Kinder.“ 

Der Holzbau trägt zur atmosphärischen Qualität eines Raumes bei und spielt hier in diesem Kinderhaus eine ganz große Rolle.

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Architekt Sven Matt
© Christian Anwander
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Grundriss EG (links), Grundriss OG (rechts) © Innauer Matt Architekten

Baubeginn inmitten der Coronapandemie

Das Gebäude ist zu allen vier Seiten hin mit loggiaartigen Balkonzonen umgeben, die einen witterungsgeschützten Außenbereich ergeben. Alle erdberührten Bauteile sowie der Treppenkern mit Aufzugsschacht sind in Stahlbeton ausgeführt. Der Rest ist reiner Holzbau. Die primäre Tragkonstruktion besteht aus im Innenraum sichtbarem Brettschichtholz-Trägern mit einem Achsabstand von 250 cm. „Dieses Achsmaß ist für den Holzbau ideal. Es ist sehr ressourcenschonend“, erklärt Benedikt Corn, Prokurist des ausführenden Holzbauunternehmens Dobler Holzbau. Die Materialeffizienz lässt sich an der verbrauchten Holzmenge ablesen. Nur 115m3 BSH, 300m3 BSP sowie 15 m3 KVH waren für die Tragkonstruktion notwendig. Die Konstruktion ergibt sich weiters aus teilweise tragenden Innenwänden aus Brettsperrholz. „Ganz bewusst ist die Primärstruktur wahrnehmbar, das prägt  ganz wesentlich die Raumstruktur“, erklärt Matt. Die sekundäre Tragkonstruktion besteht aus dreilagigem Brettsperrholz. Bei der Zwischendecke sowie beim Dach ergibt sich die Untersicht durch eine Abhangdecke aus heimischer Fichte, in zwei Lagen montiert. In der zweiten Lage befinden sich zwischen den einzelnen Latten farblich behandelte Holzwolle-Akustikplatten.

Das Achsmaß von 250 cm ist für den Holzbau ideal. Damit lässt es sich ressourcenschonend Arbeiten.

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Holzbau-Meister und Baumeister Benedikt Corn
© Matthias Weissengruber

Details perfekt ausgearbeitet

Die Zusammenarbeit zwischen dem Holzbauunternehmen und den Architekten hat hier nach Vorarlberger Manier sehr gut geklappt. „Was unsere Arbeit sehr erleichtert, ist, dass wir konstruktiv auf Augenhöhe kommunizieren. Wir hören auf die Handwerker, wenn sie sagen, dass ein Detail zu kompliziert ist“, kommentiert Matt das Miteinander. Das war aber nicht notwendig, denn Corn fügt hinzu: „Die Details waren eigentlich perfekt ausgearbeitet. Wir konnten sie fast eins zu eins übernehmen.“

Rückbaubarkeit: Holzbau prädestiniert

Dem architektonischen Konzept folgend, galt es, dem tief angelegten Grundriss mit einem Oberlicht entgegenzukommen. Jenes befindet sich zentral über dem offen gestalteten Foyerbereich. Dieser dient nicht nur der Erschließung, sondern ist auch Begegnungszone. Zum Thema Rückbaubarkeit sagt Matt: „Holzbau ist für dieses Thema prädestiniert. Ein Gebäude wieder so auseinanderzunehmen, wie es zusammengebaut wurde, das kann man im Holzbau.“ Und er ergänzt: „Die außenstehenden BSH-Träger sind natürlich der Witterung ausgesetzt. Diese kann man einzeln entnehmen und austauschen, sollte es notwendig werden.“

Matt hat den Kindergarten selbst schon öfter besucht. „Es ist einfach schön zu sehen, wie die Kinder durch die multifunktionale Mittelzone durchsausen. Zu erleben, dass alles so ist, wie wir uns das vorgestellt haben.“ Also ein Holzbau, der funktioniert, auch aus der Kinderperspektive. 

Projektdaten

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© Dominic Kummer

Standort: Kreuzfeld Altach
Fertigstellung: April 2023
Bauherr: Gemeinde Altach
Architektur: Innauer-Matt Architekten
Ausführung: Dobler Holzbau
Statik: Merz Kley Partner
Systemlieferant: KLH
Holzmenge: 115 m3 BSH, 300 m3 BSP, 15 m3 KVH, 50 m3 Fassade und Innenausbau