Ressourcenschonend Bauen mit Holz

Ein Artikel von Wolfgang Schwarzmann | 22.07.2022 - 09:21
RSHB_Werkraumhaus_1_AngelaLamprecht.jpg

Die Tragkonstruktion konnte mit Zapfen, Schwalbenschwänzen und Überblattungen fast ausschließlich mit Holzverbindungen umgesetzt werden. © Angela Lamprecht

Im Rahmen der Ausstellung „Constructive Alps“ ist im Werkraum Bregenzerwald das „Werkraum-Häuschen“ entstanden. Im Fokus stand dabei das Bauen mit möglichst sortenreinen Materialien. Diese können nach einem Rückbau einfach ausgebaut und im besten Fall ohne Wertminderung wiederverwendet werden – ein Prototyp für klimaneutrales Bauen also. Umgesetzt als Lehrlingsprojekt wurde dabei ein weiterer Schwerpunkt auf das kollektive Bauen, das Wissen aller beteiligten Personen gelegt.

Die auf einem Abbundroboter hergestellte Tragstruktur besteht aus massiven Fichtenholzbalken, die lediglich mit Zapfen, Überblattungen und Schwalbenschwänzen zusammengesetzt werden können. Die Zimmerer haben hierbei besonders darauf geachtet, dass sich die Konstruktion beim Zusammenbau schrittweise immer mehr versperrt und stabilisiert. Zwar wurden vereinzelt ein paar Schrauben benötigt, diese waren jedoch vor allem unter dem Aspekt der (späteren) Transportierbarkeit mit einem Lkw geschuldet. Nach dem erfolgreichen Aufbau der Tragstruktur wurden alle Betriebe des Werkraum Bregenzerwald eingeladen, Beiträge in Form eines Wand-, Boden- oder Deckenelementes zu erarbeiten. Wie das Gebäude am Ende dieses Prozesses aussehen wird, war dabei zu Beginn mehr als nur ungewiss. Während bei einer konventionellen Baustelle zuerst das Material anhand der Planung bestellt wird, mussten die Handwerkenden hier zuerst einmal überlegen, welche Materialien vorhanden sind und wie diese dann am Projekt eingesetzt werden können.

RSHB_Werkraumhaus_3_AngelaLamprecht.jpg

Das Werkraum-Häuschen besteht aus einer zusammengesteckten Holzkonstruktion. Ähnlich wie bei einem Regal können die Beiträge der Handwerkenden als Wand-, Boden oder Deckenelement ein- und wieder ausgebaut werden. © Angela Lamprecht

Baustoffe in mehreren Zyklen denken

RSHB_Werkraumhaus_4_AngelaLamprecht.jpg

Kreative, unkonventionelle Ideen waren gefordert und wurden ganz bewusst gefördert. Die Lehrlinge einer Polsterei verarbeiteten beispielsweise Reststoffe zu einem Wandelement. © Angela Lamprecht

Wie bereits erwähnt hatte der Einsatz von sortenreinen Materialien oberste Priorität. Das von einem Installateur eingebaute Waschbecken zum Beispiel wurde mit gelöteten Kupferrohren, anstatt wie sonst üblich mit verpressten Verbundrohren, realisiert. Die Materialdurchmischung von verschiedenen Kunststoffen und Metallen macht das Auftrennen von Verbundrohren nach der Nutzung beinahe unmöglich. Im Gegensatz dazu lässt sich ein Kupferrohr als Rohstoff zu 100 % einschmelzen und neuen Aufgaben zuführen. Auch die gelöteten Verbindungen können in 40 Jahren wieder aufgelötet werden und in einer neuen Funktion eingesetzt werden. Das am Werkraum-Häuschen verbaute Aluminium-Welldach war zuvor bereits 30 bis 40 Jahre auf einem Schopf im Einsatz. Dabei wurde beim Rückbau mit besonderer Sorgfalt gearbeitet, um die Platten möglichst ohne Beschädigung, jedoch mit entsprechender Patina, auf dem Häuschen zu montieren.

Durch einen weiteren Zimmereibetrieb wurde ein Wandelement mit mehr als 100 Jahre alten, zuvor noch nicht verbauten Dachschindeln aus Fichtenholz erstellt. Die groben, zum Teil angegrauten und stark gealterten Schindeln wären bei heutigen Bauprojekten aus ästhetischen Gründen nicht mehr einsetzbar. Ihre Aufgabe als konstruktiver Holzschutz erfüllen die einst händisch gespaltenen Holzschindeln jedoch nach wie vor optimal. So erwähnte der Zimmermann, dass eine Schindelfassade eine besonders sorgsame Form der Fassadeneindeckung ist, da gegebenenfalls einzelne Teile der bewitterten Fassade stückweise ausgetauscht werden können. Auch heute noch kann an zahlreichen Bregenzerwälder Holzhäusern das Schindelhandwerk mehrerer Generationen abgelesen werden. In der späteren Ausstellung des fertig zusammengestellten Häuschens haben besonders viele Besuchende die natürliche und dem Holz angemessene Optik des Schindelbeitrages gelobt.

Umgesetzt von den Handwerkenden der Zukunft

Erfahrene Handwerkende sind mit ihrem Wissen und der dadurch gewohnten Herangehensweise an Projekte manchmal etwas eingefahren. Aus diesem Grund wurden die Beiträge der Betriebe gezielt mit den Lehrlingen entworfen und umgesetzt. Dabei war das Ziel, die kreativen und möglicherweise noch unkonventionellen Ideen von jungen Köpfen mit der Erfahrung und dem Fachwissen der Gesellen und Meister zu kombinieren. Die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse entsprechen zwar nicht immer ganz der ÖNORM, in der Regel erfüllen sie jedoch die Anforderungen einer späteren Nutzung; und das lediglich mit den bereits vorhandenen Rohstoffen.

So haben die Lehrlinge einer Polsterei die Reststoffe der Produktion in Bahnen aneinandergefügt und zu einem Wandelement verwoben. Was für einen regulären Auftrag nur schwer vorstellbar wäre, hat in diesem Projekt eine besondere optische Aufwertung gebracht. Im realen Baugeschäft müssten es Auftraggebende den Handwerkenden überlassen, wie ihr Produkt am Ende ausschaut. Am Werkraum-Häuschen lassen sich derartige Versuche jedoch ohne verbindlichen Zeitplan und ohne Kostenrahmen im kleinen Maßstab erproben, überprüfen und diskutieren.

Das übergeordnete Ziel des Projektes war es, alle Beteiligte auf einen bewussten und sorgsamen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Baustoffen zu sensibilisieren. Die dabei entstandenen Beiträge sollen am Ende der ersten Nutzung (als Stadel, als Holzschopf oder auch als Ausstellungsobjekt) nicht nur als Hackschnitzel oder Ersatzbrennstoff einer thermischen Verwertung zugeführt werden können, sondern im besten Fall in einer mindestens gleichwertigen Aufgabe weiterverwendet werden.

Keine Antwort, nur eine noch größere Aufgabe

Im Falle der Tragkonstruktion wurden beim Projekt regional verfügbare (ca. 14 km Entfernung) und gesägte Fichtenbalken verwendet. Das Zeitfenster war zu klein, als dass hier noch andere, bereits gebrauchte Holzquerschnitte zur Hand gewesen wären. Durch die kluge Fügung der Konstruktion können die Balken nach diesem Einsatz entweder im vollen Querschnitt als Tragkonstruktion oder aufgetrennt als Dachschalung oder Hinterlüftungslattung eingesetzt werden. Hinsichtlich der sortenreinen Rückbaubarkeit muss etwas selbstkritisch gesagt werden, dass natürlich nicht alle im Projekt geforderten Auflagen im vollen Umfang erfüllt werden konnten. Das war so gesehen aber auch nicht das oberste Ziel des Versuchsbaus. Der im Projektverlauf geleistete Denkprozess aller beteiligten Lehrlinge und Handwerker hat jedoch die projektierten Aspekte vollumfänglich erfüllt. Die Frage, die wir uns heute stellen müssen, ist nicht nur, wie wir ein Gebäude möglichst CO2-neutral herstellen können, sondern vor allem, was die nächsten Generationen damit anfangen sollen. Ob es dann flexibel umgenutzt oder zumindest verlustfrei in die jeweiligen Rohstoffe zurückgebaut werden kann, müssen sie dann selbst entscheiden. Unsere Aufgabe ist es, ihnen dabei nach Möglichkeit alle Optionen offenzulassen.