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Die Architekten entwickelten das Motiv einer ruhigen Oase inmitten eines Baumhains, inspiriert von dem Bild des Paradiesgartens. © Abdallah Abada

Dem Himmel so nah

Ein Artikel von Birgit Gruber | 15.08.2019 - 09:26
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Die aufgehenden Träger der insgesamt 30 Stützen verflechten sich zu Mustern, die tradierte Bauformen des Moscheebaus aufgreifen. © Morley von Sternberg

In der Mill Road in Cambridge konnte nach zehnjähriger Planungs- und Bauzeit der Neubau einer Großmoschee abgeschlossen werden. Das neue islamische Gebetshaus in der englischen Universitätsstadt wurde nach den Entwürfen von Marks Barfield Architects komplett  in Holzbauweise errichtet und darf sich dank photovoltaischer Energieproduktion und Regenwasserspeicher als die erste ökologische Moschee Europas bezeichnen. Dies ist jedoch nicht die einzige Besonderheit des Bauwerks: Oberhalb der Tiefgarage wurde das Projekt vollständig aus vorgefertigten Holzbauteilen errichtet. Zuständig für Planung und Ausführung der Holzbauarbeiten war das Schweizer Holzbauunternehmen Blumer-Lehmann aus Gossau. Das Dachtragwerk besteht aus 30 frei geformten und mehrfach gekrümmten Brettschichtholzträgern aus Fichtenholz, die den Raumeindruck sowohl im rund 8,5 m hohen Gebetssaal als auch im etwas niedrigeren Eingangsbereich prägen. Die aufgehenden und sich miteinander verflechtenden „Äste“ bilden das tragende Gewölbe und erzeugen zugleich eine atemberaubende Raumatmosphäre in der rund tausend Gläubige fassenden Moschee. „Wir stellten uns das Gelände als einen Baumhain vor, der die Gemeinde für einen sanften Diskurs im Schatten der Bäume zusammenbringt,“ erläuterte der 2017 verstorbene Moschee-Architekt David Marks seine Entwurfsgedanken.

Digitalisiertes Vorfertigungs- und Montagekonzept

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Jephtha Schaffner, Projektleiter bei Blumer-Lehmann: Gerade das Urwüchsige und scheinbar Wilde des Dachtragwerks erforderte ein hohes Maß an Organisation. © Morley von Sternberg

Die komplexen Bauteile des Tragwerks sowie alle Wände, Dächer und Decken wurden im Schweizer Werk der Holzbauspezialisten vorgefertigt. Um die anspruchsvolle Bauaufgabe zu bewältigen, hat Blumer-Lehmann im Vorfeld gemeinsam mit der Züricher Design-to-Production (D2P) und Ingenieuren von SJB Kempter Fitze ein komplett digitalisiertes Vorfertigungs- und Montagekonzept der Konstruktion erarbeitet. „Wir haben die Form so modelliert, dass der Gewölbeschub an jeder Stelle optimal ausgenutzt werden kann, was vergleichsweise kleine und vor allem an jeder Stelle gleiche Trägerquerschnitte von 160 mal 250 mm ermöglichte“, erläutert Johannes Kuhnen von D2P. „Gleichzeitig konnte die Rotationssymmetrie der Trägersegmente rund um die Stützen gewahrt werden, wodurch sich in der Produktion die Zahl der Gleichteile erhöhte und trotz der freien Form eine Fertigung mit rationellen Losgrößen möglich wurde.“ Auf diese Weise ließen sich die insgesamt 2746 Segmente auf nur 145 unterschiedliche Bauteiltypen reduzieren, die ihrerseits auf nur 23 verschiedene Typen von Brettschichtholz-Rohlingen basieren. Diese hatten es allerdings in sich, wie Jephtha Schaffner, Projektleiter bei Blumer-Lehmann, erklärt: „Wir haben mit geraden, aber auch einfach und sogar zweifach gekrümmten Ausgangselementen gearbeitet, die alle fünfachsig gefräst wurden. Das erforderte eine sorgfältige Produktionsstrategie und vor allem eine Weiterentwicklung unserer Software, die wir in Teilen quasi neu geschrieben haben.“

Mit Lkw und Fähre auf die Baustelle

Die 3800 Bauelemente wurden nach einem genau getakteten Zeitplan mittels 80 Lkw-Fahrten sowie mit der Fähre ins 1500 km entfernte England transportiert. An Ort und Stelle beanspruchte die Montage der Holzkonstruktion laut Schaffner nur ein knappes halbes Jahr. Während die aufgehenden Stützen aus nur wenigen, weitgehend vormontierten Einzelteilen bestehen, mussten die Arbeiter für die verflochtenen Flächengewölbe 70 bis 80 Holzteile am Boden zusammenschrauben. Diese wurden mit einem Kranhub zum Einbauort gehoben. Dank der Rotationssymetrie rund um die 30 Stützen wiederholten sich die Abläufe, was die Arbeiten beschleunigte. Die Montage erforderte 39.000 Schraubverbindungen.

Holzdom mit goldener Kuppel als Krönung

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Das neue Gebetshaus wird von einem 9 m hohen Dom gekrönt. Dieser wurde von Blumer- Lehmann am Boden montiert und mittels eines Krans auf die Deckenkonstruktion aufgesetzt. Ihn ziert außerdem eine vergoldete Kuppel. © Blumer-Lehmann AG

Der Gebetssaal, in dem 16 Stützen stehen, wird von einem 9 m hohen Dom mit vergoldeter Kuppel gekrönt. Dieser wurde von Blumer-Lehmann am Boden montiert und ebenfalls mittels eines Krans auf die Deckenkonstruktion gehoben. Das Flachdach der Moschee besteht aus Holzrippendecken, die Wände sind überwiegend Holzrahmenkonstruktionen. Die Moschee steht auch Nichtmuslimen offen. 

Projektdaten

Standort: Cambridge, England
Fertigstellung: 2019
Bauherr: Muslim Academic Trust, Cambridge
Architektur: Marks Barfield Architects
Holzbau: Blumer-Lehmann AG
Holzbauingenieure: SJB Kempter Fitze
Nutzfläche: 4000 m2