Der Pfälzerwald ist das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands und so ist es naheliegend, dass die Technische Universität Kaiserslautern erfolgreich im Holzbau forscht. Der Fachbereich Architektur gründete dafür unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Jürgen Graf (Tragwerk und Material) und Univ.-Prof. Stephan Birk (Baukonstruktion I) 2014 das „t-lab“. Seither richtet es seine Forschung daran aus, einen wirksamen Beitrag zur Begrenzung der klimaschädlichen Treibhausgase zu leisten. Das t-lab will die Bauwende vorantreiben. „Schließlich haben wir nur noch zehn Jahre Zeit, um den Bausektor komplett auf den Kopf zu stellen“, meint Graf und spricht damit die dringliche Notwendigkeit zur Kreislauffähigkeit der verwendeten Bauteile an. Sein Team leistet auf diesem Gebiet gerade Pionierarbeit. Die relativ kleine Hochschule ist in aller Munde. Ganz Europa schaut derzeit nach Diemerstein. „Unser Erfolg kommt daher, da wir Projekte gemeinsam mit unseren Studierenden nicht nur in der Theorie planen, sondern auch 1:1 umsetzen. Das kostet zwar viel Zeit und Engagement aller Beteiligten, doch am Ende lohnt sich die Mühe“, freut sich Graf. Er spricht damit unter anderem den Bau einer neuen Forschungshalle für das t-lab an. Dafür gab es in diesem Jahr auch den Deutschen Hochschulpreis, der im Rahmen des Deutschen Holzbaupreises auf der Messe Ligna in Hannover vergeben wurde. Doch vorerst zurück zu den Anfängen des Thinktanks.
Ein Sommerhaus für Geflüchtete
Bereits zwei Jahre nach seiner Gründung konnte das t-lab das erste Holzbauprojekt erfolgreich umsetzen. Gemeint ist damit das Gemeinschaftshaus auf dem Gelände der Flüchtlings-Erstaufnahmestelle „Spinelli Barracks“ in Mannheim. 2016 planten und bauten es Architekturstudenten gemeinsam mit Geflüchteten. Während sein Kollege Birk mittlerweile die Nachfolge von Prof. Hermann Kaufmann an der TU München angetreten hat, ist für Graf und sein t-lab eines klar: „Das Kleine kann nur ganz groß werden, wenn wir uns auf ein Thema fokussieren.“ Mittlerweile versteht man sich dort als Ideenschmiede für kreislaufeffektives Bauen.
Die Forschungs- und Werkhalle entsteht
Weitere sechs Jahre später bauen die Studierenden seit 2022 an einer eigenen Forschungs- und Werkhalle in Diemerstein. Der Rohbau inklusive aller Ausführungen am Dach und der Fassade sind bereits abgeschlossen. Aktuell arbeiten die Projektteilnehmer am Innenausbau der Halle. Diemerstein als kleine Wohnsiedlung im Pfälzerwald, gehört zur Ortsgemeinde Frankenstein im Landkreis Kaiserslautern. Bekanntheit erlangte der Ort als zeitweiliger Wohnsitz des Eisenbahningenieurs Paul Camille von Denis. „Die TU Kaiserslautern ist dort mit der Villa Denis und dem dazugehörenden Gästehaus (Tagungsort und Sitz der TU-Stiftung) vertreten und darüber hinaus Pächterin des Grundstückes am Taleingang. Auf der uns zur Verfügung stehenden Fläche mit 3700 m2 (zwei Baufelder) entstand nun in einer ersten Phase ein Versuchslabor für innovativen und experimentellen Holzbau“, weiß der Holzbauprofessor. Der neue Campus soll zukünftig Raum für eine angewandte Holzbauforschung mit Versuchsbauten im Maßstab 1:1, Workshops und Summerschools bieten. Eine Finanzierung ermöglichte vorrangig die Stiftung der TU Kaiserslautern, die RPTU selbst sowie das LEADER-Programm der Europäischen Union. Entwurf, Planung und Umsetzung erfolgte in interdisziplinären Teams mit Forschenden, Lehrenden und Studierenden.
Seit 2019 waren es insgesamt 13 universitäre Mitarbeiter und 63 Studierende, die mit viel Grips und Schweiß an der Errichtung mitgearbeitet haben. Hielten sich während der Entwurfsphase männliche und weibliche Studierende noch die Waagschale, waren es in der Umsetzungsphase doch tatsächlich mehr Frauen, die auf der Baustelle Fundamente ausgruben, am Dach hämmerten, Baukrane betätigten, Holzbauteile lasierten, an der Säge werkten oder einzelne Bauteile zusammenfügten. Selbst in den örtlichen Partnerunternehmen, die die Brettsperrholzelemente für Dach, Wände und Boden vorfertigten, durften die Studierenden selbst Hand anlegen.
„Arbeiten mit Holz ist so einfach“
Die Stimmung auf der Baustelle war laut dem Holzbauprofessor immer hervorragend, trotz teils widriger Wetterbedingungen. „Wir mussten im Winter früh morgens bei bis zu minus 15° C auf die Baustelle fahren“, erinnert sich Hanna Opp. Doch sie war fasziniert von der Tatsache, dass die Arbeit mit Holz vergleichsweise zu anderen Materialien so einfach ist. Am meisten Spaß haben ihr die Arbeiten auf dem Dach gemacht. Von der Aufrippung für die Dämmung bis hin zum Verlegen der Dachbleche konnten die Studierenden jeden Arbeitsschritt selber machen. „Wir waren ein eingespieltes Team, jeder hatte eine Aufgabe, unsere Handgriffe gingen nahtlos ineinander über und wir kamen sehr schnell voran. Toll fand ich auch unsere große Eigenverantwortung“, freut sich Opp, die ihre selbstgebauten Erfahrungen ins spätere Berufsleben mitnehmen will. Neben dem Wetter waren auch die körperlichen Anstrengungen für die jungen Frauen und Männer enorm. Ein YouTube-Video des t-lab veranschaulicht das Engagement und den körperlichen Einsatz der Holzbauarchitekten von morgen, blaue Flecken und Blasen auf den Händen inklusive.
Bahnbrechende Verbindung
Fasziniert waren die Studierenden vor allem von der Tatsache, was Holz alles leisten kann. „Vieles ist in Holz möglich, wenn man weiterdenkt und sich an neue Materialzusammensetzungen traut“, so der allgemeine Tenor. Das machen auch zwei bahnbrechende Verbindungstechniken deutlich, die aus dem t-lab entspringen und beim Hallenbau erstmals zum Einsatz kamen. Für das Hallentragwerk der Holzhalle Diemerstein wurden neuartige organisch geformte Ringknoten aus Kunstharzpressholz entwickelt. Diese leiten sich von der natürlichen Formgestalt von Astgabeln (Zwieseln) ab. „Es handelt sich hierbei um einen Hochleistungsholzwerkstoff auf Basis technisch verdichteter Buchenfurniere. Diese werden zunächst mit Kunstharz imprägniert und anschließend unter hohem Druck und hoher Temperatur dauerhaft miteinander verbunden. Mit der Verdichtung steigt der Anteil der Holzfasern pro Volumeneinheit. Infolgedessen steigen die mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Steifigkeit deutlich an. Die Verbindungsteile werden dadurch so tragfähig wie Stahl“, weiß der Holzbauprofessor. Der Knoten wurde im Rahmen einer Doktorarbeit eingehend erforscht und kam an mehreren Stellen der Halle sichtbar zum Einsatz.
Ausgezeichneter Konusadapter
Neben der Halle selbst erhielt auch der Konusadapter aus Kunstharzpressholz eine Anerkennung beim Deutschen Holzbaupreis. Denn eine wirkliche Kreislauffähigkeit ist laut Graf im Holzbau nur mit lösbaren Verbindungen zu erreichen. Der Konusadapter ebenfalls aus Kunstharzpressholz ermöglicht die reversible Kopplung von Bauteilen in vielfältigsten Anwendungen: Decken an Träger, Träger an Stützen oder Stütze an Stütze. „Damit wird er mehreren Anforderungen im modernen Holzbau gerecht: Passgenauigkeit, Formstabilität und Dauerhaftigkeit. Vor allem in Verbindung mit geschichteten Holzprodukten mit Querlagen kann diese Entwicklung ihr volles Potenzial ausspielen, da das Risiko eines Querzugversagens durch den Pressdruck des Konusadapters minimiert ist“, erklärt der t-lab-Gründer.
Vorbild Schweiz
Die Forschungsarbeit des t-lab soll helfen, eine Bauwende auf dem schnellsten Wege herbeizuführen. „Eine kreislaufeffektive Holzbauweise muss sofort für jeden Neu- und Umbau gelten. Zudem sollten wir überhaupt nur mehr im Bestand bauen und auf weitere Bodenversiegelungen verzichten“, ist Graf überzeugt. Die Elementbauweise sei laut Graf gegenüber der Modulbauweise zu bevorzugen, da sie flexibler und offener für Nutzungsänderungen sei. Mit der Erfindung neuer Verbindungen wurde jedenfalls in Kaiserslautern bewiesen, dass Holzbauwerke ganz leicht auch wieder auseinandergenommen und wiederverwendet werden können. Für den Konusadapter wurde gerade die bauaufsichtliche Zulassung beantragt, ein Prozess, der laut Graf in Deutschland leider noch immer zu lange dauert. Die Schweiz sei auf diesem Gebiet schon viel weiter: „Dort entscheiden Bauingenieur und Architekt in Abstimmung mit dem Bauherrn über die Funktionalität eines Gebäudes bzw. seiner Gebäudeteile. Diese müssen demnach keinen weiteren Prüfung unterzogen werden“, weiß Graf. Die Umsetzung eines Bauprojektes sei so weniger von Richtlinien und Normen abhängig. In Deutschland ist dies bislang nur im Rahmen eines privaten Bauvorhabens möglich.
„Gebäudetyp E“ sehr zu begrüßen
Doch will man sich an alle Regeln halten, sind architektonische Innovationen kaum umsetzbar. Gegen dieses Dilemma wollen die deutschen Architektenkammern, ganz vorne die bayerische Architektenkammer, einen neuen „Gebäudetyp E“ implementieren. Das „e“ steht dabei für ein experimentelleres und einfacheres Bauen. Der neue Gebäudetyp soll den Wohnungsbau ankurbeln, indem bürokratische Hürden und finanzielle Belastungen deutlich reduziert werden. „Der Kern der Idee ist ebenso simpel wie genial: Für den Gebäudetyp E sollen nur noch die baurechtlichen Vorgaben zwingend gelten, die für die Bereiche Umweltschutz, Standsicherheit und Brandschutz wichtig sind. Alles andere kann optional zwischen dem Bauherrn und dem Architekten in einem privatrechtlichen Vertrag festgehalten werden“, begrüßt Graf die Idee. Weniger Bürokratie beim Bauen würde dann sicherlich auch dem neuesten Projekt aus der Kaiserslauterner Ideenschmiede zugutekommen: Ein siebengeschossiger Holzbau, der zu 100 % rückbaubar ist. „Das Projekt liegt fertig in der Schublade. Wir brauchen nur noch einen Investor“, startet der Holzbauprofessor einen Aufruf.
Kernteam t-lab Holzarchitektur und Holzwerkstoffe
Univ.-Prof. Dr. Jürgen Graf, RPTU Kaiserslautern
Univ.-Prof. Stephan Birk, TU München (bis 2021 RPTU Kaiserslautern)
Marcel Balsen | Nik Beiler | Jessica Betha | Oliver Betha | Yannick Braun
Reiner Klopfer | Sven Löffler | Viktor Poteschkin | Dennis Röver
Joaquim Santos | Wenchang Shi | Valentin Viezens | Christian Weisgerber