Verdichtung versus Bodenraub

Ein Artikel von Heinz Geza Ambrozy, Dr. Azra Korjenic und Martin Aichholzer | 12.12.2022 - 08:25
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Heinz Geza Ambrozy (re.), Dr. Azra Korjenic und Martin Aichholzer, natuRebuilt © natuRebuilt

Ausgehend von einer umfassenden vernetzten Planung und Ausführung über die Entwicklung von innovativen und rückbaufähigen Holzleichtbauweisen reicht der Bogen bis hin zum Einsatz von kreislauffähigen Baustoffen. Ganz am Beginn steht in diesem Zusammenhang der Umgang mit Flächenverbrauch. Fest steht, dass der Boden global gesehen eine der grundlegenden und nicht vermehrbaren Ressourcen bildet und daher wie Luft und Wasser nachhaltig geschützt werden sollte. Allein in Österreich gehen täglich 11,5 Hektar – das entspricht der Fläche von 16 Fußballfeldern – wertvollen produktiven Bodens durch Versiegelung für Siedlungs- und Verkehrszwecke verloren. Das allseits beliebte freistehende Einfamilienhaus und eingeschossige Gewerbe- und Einkaufszentren mit entsprechendem Stellplatzanteil am Rand von gewachsenen Ortskernen sind überholte Typologien. Die Entwicklung zur Wiederbelebung der dörflichen Strukturen im ländlichen Raum mit nachhaltigen Ansätzen ist erst im Entstehen.

Dabei gibt es für verdichtete Bauformen viele historische Beispiele. Schon die antiken Hofhäuser in Asien oder römische Stadtanlagen sind Beispiele für flächige Verdichtung. Ausgehend von den Werk- und Arbeitersiedlungen im 18. Jahrhundert und der Gartenstadtbewegung, basierend auf den Ideen von Ebenezer Howard, hat sich die Entwicklung des Reihenhauses bis heute als die einfachste Form der linearen Verdichtung gehalten. Tradierte Bauformen wie der burgenländische Streckhof zeigen uns den ressourcenschonenden Umgang mit Grund und Boden. Roland Rainer mit seinen verdichteten Flachbauten, eingeschossigen Atriumhäusern kombiniert mit Reihenhäusern und Geschosswohnbau gilt als vehementer Verfechter der horizontalen Verdichtung. Die Siedlung in Puchenau, geplant 1965, wird als erste autofreie Siedlung Österreichs angesehen, zu einer Zeit, in der das Auto noch ein Symbol für Freiheit und Individualität darstellte.

Im städtischen Raum passiert Verdichtung naturgemäß vertikal durch Sanierung und Aufstockung bereits bebauter Flächen. Das Schlagwort „Nachverdichtung“ ist zwar seit Jahren in aller Munde, die rechtlichen Rahmenbedingungen stehen einer modernen, klimafreundlichen Stadtentwicklung aber häufig noch im Weg. Was muss geändert werden, um diese Verdichtungsformen zu ermöglichen oder zu erleichtern?

Die Einstellung des Österreichers zur Wohnform freistehendes Einfamilienhaus wird sich ändern müssen. Hier könnten positive Beispiele zeigen, dass die gewünschte Privatheit auch in verdichteten Bauformen möglich ist, ergänzt und aufgewertet durch den sozialen Aspekt von Gemeinschaftsflächen. Als neue Form des selbstbestimmten Bauens tragen Baugruppen zur Identität ihres Lebensraumes, zur sozialen Diversifikation und Integration bei. Flächenwidmungen müssen zukünftig eine Durchmischung von Nutzungen ermöglichen, damit beispielsweise eingeschossige Gewerbeflächen vertikal verdichtet werden können, es gibt bereits Beispiele mit Nutzungsmischungen von Handel, Büro, Wohnen und sogar Bildung.

Besonders nachhaltig und mit vielen Vorteilen lässt sich vertikale Verdichtung mit dem Holzbau umsetzen: Das geringe Gewicht, der hoher Vorfertigungsgrad, die schnelle Bauzeit, rezyklierbare Baustoffe sind nur einige Schlagworte, die den Bogen zum ressourcenschonenden Bauen schließen.