Das Stadthaus in der Linzer Lederergasse stammt aus dem 16. Jahrhundert und lag früher noch außerhalb der Stadtmauern – vermutlich wurde es landwirtschaftlich genutzt. Über die Jahrhunderte hinweg ist es sukzessive gewachsen, ins Zentrum gerückt und verfügte zuletzt über drei Geschosse mit einer durchschnittlichen Raumhöhe von etwa 2,3 m. Nun befinden sich darin elf Wohnungen und das eigene Studio der Architekten.
Holz lag auf der Hand
„Das Projekt hat sich über die Jahre hinweg entwickelt. Mein Partner Gunar Wilhelm und ich waren auf der Suche nach einem Büro mit Garten, dabei sind wir immer wieder über dieses Haus gestolpert“, erzählt Sandra Gnigler vom Architekturbüro mia2. 2011 erstand man schließlich das in die Jahre gekommene Gebäude, musste allerdings mit den Umbauten warten, da das Haus noch bewohnt war. „Der Bestand wies Alterserscheinungen wie die klassischen Feuchtigkeitsflecken oder zum Beispiel mit Fliesen verkleideten Holzdecken auf“, erinnert sich Gnigler zurück. Die erste Herausforderung war, eine Bebauungsplanänderung beim Magistrat zu beantragen. „Wir wollten die Traufen der angrenzenden Gründerzeitbauten aufgreifen und den Bestand soweit möglich erhalten. Für die Aufstockung lag Holz aufgrund des leichten Aufbaus, hohen Vorfertigungsgrades und der Präzision quasi auf der Hand.“ Dogmatisch wollte man dabei allerdings nicht vorgehen und stellte sich die Frage, wo welches Material am meisten Sinn ergibt. Den Zulieferer des Holzes wählte man mit Bedacht: „Wir haben genau gewusst, was für ein Holz wir verbauen möchten. Für die Fassade fiel die Wahl auf Tannenholz vom Sägewerk Lauss aus Peilstein und das Schnittholz kam aus dem eigenen Sägewerk der Zimmerei – Regionalität ist uns wichtig“, so Wilhelm.
Technisch einfaches Bauen
Die Architekten legen großen Wert auf Pragmatismus und Simplizität. In den Bestand wollte man nur minimal eingreifen. Im Sockelgeschoss wurden die Fundamente punktuell auf das Mindeste ausgebildet und der Fußbodenbereich mit Randbrettern verstärkt. Die historischen Holzdecken wurden mittels Holz-Beton-Verbundtechnik ertüchtigt. „Die tragenden Bestandsdecken mit einer Pfostenstärke von nur 6 cm wurden mit rund 10 cm Aufbeton verstärkt. Dadurch konnten wir in jedem Geschoss wieder eine Scheibe ausbilden und so die Knicklänge der Bestandswände reduzieren“, erklärt Wilhelm. Die Steinmauern mit Lehmmörtel wurden zudem mit Betonträgern verstärkt. Um mehr Platz im Inneren zu haben, stellte man die Erschließung außen an. Die Aufstockung wurde dann großteils mit Holz, aber auch Ziegeln und punktuell Stahl umgesetzt. „Die drei geknickten Stahlrahmen haben es uns ermöglicht, den Dachraum stützenfrei ausführen zu können“, erzählt Roland Höfer von der Zimmerei Simader aus Oberneukirchen. Er hatte die Holzbaustatik, Ausführungs- und Werkplanung sowie Bauleitung über.
Herausfordernde Details
Höfer berichtet wie auch die Architekten von einer konstruktiven Zusammenarbeit, die Pläne hat man in engem Austausch gemeinsam entwickelt. Für das Holzbauunternehmen war das Projekt aufgrund der vielen unterschiedlichen Details ungewöhnlich: „Die Holz-Beton-Verbunddecken (HBV-Decken) sehen zwar so aus, als wären sie an die Hauptträme eingezapft, liegen aber in Wahrheit auf den Mauern auf“, nennt Höfer eine der Besonderheiten. Auch die Eigenheiten eines so alten Gebäudes – „im Grundriss gibt es keinen rechten Winkel, da muss die Vorfertigung im Maß passen“ – stellten besondere Ansprüche an die Zimmerei. Bis auf die Leimbinder hat Simader alle Elemente im eigenen Werk gefertigt. Da das Bauvorhaben in die Gebäudeklasse 5 fällt, wurden die Riegelbauwände aus brandschutztechnischen Gründen an der Außenseite mit einer nicht brennbaren Dämmebene unter der Holzverkleidung versehen und innen mit Gipskarton beplankt. Zwischen den Wohneinheiten wurden in der Aufstockung aus Schallschutzgründen ebenfalls HBV-Decken eingezogen, innerhalb der Wohnungen wählte man Kassettendecken. Die Oberflächen beließ man bewusst sichtbar, um das Konstruktionsmaterial Holz zu zeigen. Die bis zur Unterkante und seitlich zum Dach hin verglasten Gaupen variieren in Höhe und Breite und wurden zurückversetzt, um nicht mit dem Nachbargebäude zu konkurrieren. Die Unterkante des Aufbaus übernimmt zudem die Traufe des angrenzenden Baus. Die Tragstruktur der Aufstockung liegt auf den Bestandsmauern. „Zum Glück ist die tragende Mittelwand des Bestands – auf der der First aufliegt – leicht schief. So konnten wir zum Hof hin fast ein Geschoss mehr ausbilden“, erläutert Wilhelm den Vorteil des herausfordernden Grundrisses.
Innovative Sanierungsmethoden
Für die Architekten war das Bauprojekt aber auch ein Experimentierfeld für Sonderlösungen. „Wir haben den Aushub nicht kostenintensiv im Container entsorgt, sondern in Form einer Stampflehmwand in der Aufstockung als teilweise tragende, fast 8 m hohe Mittelwand verbaut“, verrät Wilhelm. Auch die gewendelte Freitreppe im Hof wurde selbst entwickelt und besteht nur aus einem einzigen Element, das durch Stapelung und Verdrehung zur Treppe wird. „Das Netz wird über die Jahre hinweg begrünt, das ist auch städtebaulich relevant“, erklärt Gnigler, deren Cousin ebenfalls eine revitalisierende Rolle beim Umbau spielte. Er ist Schlosser und hat die Balkongeländer, die das Büro von einem seiner ersten Projekte aufgehoben hat, so bearbeitet, dass sie den heutigen Vorschriften entsprechen und nun für ein verspieltes Detail auf den großzügigen Balkonen sorgen.
Harmonischer Kontrast
„Straßenseitig haben wir uns lang mit der Erscheinung der Aufstockung beschäftigt und versucht, eine
Balance zwischen zeitgemäßer Architektur und der klassischen Lochfassade des Bestands zu finden“, erzählt Gnigler. Die Pfosten-Riegel-Fassade hat sich mit ihrer Rahmenstruktur im Laufe des Entwurfs entwickelt und erfüllt nun gleich mehrere Anforderungen. Die horizontalen Balken fungieren als Brandriegel, im ersten Geschoss des Neubaus wechseln sich Fixverglasungen mit öffenbaren Fenstern ab. Darüber wurden die Holzelemente enger gesetzt und dienen so der Absturzsicherung auf den Balkonen. Die vollverglasten Gaupen wiederum halten sich dezent zurück.
Die Aufstockung ist von außen deutlich sichtbar, wertet das Gebäude auf und bildet dabei einen spannenden Kontrast zum Bestand – ohne diesen zu erschlagen.
Projektdaten
Standort: Linz
Baubeginn: 2019
Fertigstellung: 2020
Architektur und Bauherr: mia2 Architektur ZT GmbH
Holzbau und -statik: Simader Baumeister und Zimmermeister GmbH
Holzmenge: ca. 60 m³
Bruttogeschossfläche: Aufstockung: 540 m², Bestand: 660 m²