Die Zukunft hängt an der Ausbildung

Ein Artikel von Raphael Zeman | 11.01.2021 - 15:22
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Reinhold Steinmaurer, holzbau austria © holzbau austria

Wie verlief Ihr Werdegang und wie führte er Sie zum Holzbau?
Nachdem ich an der TU Graz Bauingenieurswesen studiert habe, arbeitete ich acht Jahre lang in der Tragwerksplanung und Projektleitung von Hochbauprojekten. Ab 1988 war ich dann in der Bundesinnung Bau für den technischen Bereich zuständig, bis ich im Jahr 2000 die Geschäftsführung der Baunebengewerbe, damit auch von der Bundesinnung Holzbau, übernahm. Dabei merkte ich, dass der Holzbau wie alle Baunebengewerbe behandelt wurde, sah aber viel mehr Potenzial. 2001 wurde der Verein holzbau austria als eine Initiative der Bundesinnung Holzbau gegründet. Seit Mitte 2002 bin ich selbständig und habe mit meinem Unternehmen Aufgaben im Bereich Technik und Regelwerke übernommen. Gemeinsam mit Dr. Matthias Ammann wurde dann im Jahr 2005 die Idee für ein eigenständiges Magazin geboren. Die Bekanntheit von holzbau austria ist heute stark durch das Magazin samt Website und Newsletter geprägt. Für mich ist es ein wichtiges Instrument für die Verbreitung von Wissen und die Bekanntheit des Holzbaus generell.

Mit welchen Aufgaben verbinden Sie die Tätigkeiten von holzbau austria?
Eine der ersten Errungenschaften war der Normen-Butler mit einem Sonderpreis für Holzbaunormen. Den kann man quasi als Vorreiter der heutigen Normenbezugslösung sehen. Wir haben auch schon damals eine Nutzungsanleitung mit Inhalten über den Umgang mit Holzbauten und die Wartungsanforderungen erstellt. In weiterer Folge wurden Themen wie die Überarbeitung der Zimmermeisterprüfung oder der Wissensplattform meta_wissen_holzbau bearbeitet. Derzeit unterstützen wir die Arbeit am NQR-Code, dem nationalen Qualifikationsrahmen, der Bildungsabschlüsse aus allen Bildungsbereichen in acht Niveaustufen einordnet und so auch international vergleichbar macht. Ein ebenfalls sehr aktuelles Thema ist die CE-Kennzeichnung bzw. die generelle Thematik der Bauprodukteverordnung, die europaweit diskutiert wird. Hier setze ich mich für einfache Regelungen ein, um die Arbeit für die gewerblichen Holzbaubetriebe zu erleichtern.

Im Normenausschuss sind Sie ebenfalls vertreten.
Ja, das ist ein großer Bereich meiner Tätigkeit, aus dem ich mich aber sukzessive zurückziehe. Diesen Bereich übernimmt, bis auf einige Ausnahmen, Stefan Leitner, der die Aufgaben im Bereich Technik und Regelwerke ab Januar 2021 betreut. An der Normung im Bereich Holzbau-Produkte sowie Holzbau-Konstruktionen und der Vertrags-Normung beteilige ich mich allerdings noch im Übergang weiter. Darüber hinaus bin ich in der europäischen Normung im CEN/TC 124/WG 5 - vorgefertigte Wand-, Decken- und Dachelemente von SBS (Small Business Standards) nominiert und im nationalen Spiegelgremium tätig. Zudem im CEN/TC 250/SC 5/WG 9 Eurocode Holzbau Teil Ausführung als Vertreter von Austrian Standards nominiert. Bis diese Normen europäisch fertiggestellt sind, werde ich als Konsulent zur Verfügung stehen. Außerdem möchte ich 2021 noch einen Kommentar zur Werkvertrags-Norm verfassen und darin besonders auf Ausschreibungs- und Abrechnungsfragen eingehen.

Was sind für Sie die Meilensteine bei Ihrer Tätigkeit für holzbau austria?
Ein für mich großer Erfolg betrifft den Eurocode. Hier habe ich mich ganz stark für eine Abgrenzung zwischen Groß- und Kleinprojekten eingesetzt, um unnötige Erschwernisse für unsere Mitglieder zu verhindern. Es war mir wichtig, dass beispielsweise beim Einfamilienhaus andere Regelungen gelten, als im mehrgeschossigen Bereich. Ein weiterer Meilenstein ist das Normenpaket, das 2013 mit Austrian Standards im Auftrag der Bundesinnung verhandelt wurde. Auch bei der Erstellung der Leistungsgruppe 36 „Holzbau“ der Leistungsbeschreibung Hochbau war ich intensiv im Interesse aller Holzbaubetriebe mit dabei und bin auch bereit, sie noch weiterhin zu betreuen, da es bereits Wünsche bezüglich einzelner Änderungen gibt.

War die Wissensverbreitung auch ein großer Bestandteil der Tätigkeit für den Verein?
Definitiv. Das betreiben wir einerseits über das Magazin samt Newsletter sowie Rundschreiben der Innung und andererseits über Veranstaltungen wie die Holz_Haus_Tage oder die Bildungswochen in Alpbach. Hier haben wir immer Vorträge entweder selbst gehalten oder organisiert, so auch beim Internationalen Holzbau-Forum im Rahmen des von Timber Construction Europe gestalteten Prologs. Ebenso im Rahmen des Holzbauparlaments, bei dem alle Landesinnungsausschüsse eingeladen waren, um diese direkt zu informieren. Abgesehen davon gebe ich regelmäßig Auskünfte über Normen oder andere Regelwerke und bekomme diesbezüglich wöchentlich Anfragen von Mitgliedern, aber auch von Studenten im Rahmen von Diplomarbeiten. Hier ist mir wichtig klarzustellen, dass holzbau austria nur neutral beratend tätig ist.

Das waren einige interessante Rück- und Einblicke. Wie steht es um die Zukunft des Holzbaus?
Ich bin davon überzeugt, dass der Holzbau große Chancen hat. Wir haben funktionierende Lösungen für alle Problemstellungen, sei es im Brand-, Wärme- oder Schallschutz. Aber bei vielen Bauträgern und Architekturbüros ist der Holzbau noch nicht angekommen. Man könnte den Markt über einen verpflichtenden Holzbauanteil bei öffentlichen oder geförderten Bauten beleben. Der Thematik der Förderung bzw. Quote steht zwar immer die Kritik am Eingriff in die natürliche Marktentwicklung gegenüber, aber ich denke, dass ein erster Anstoß notwendig ist, um Aufmerksamkeit und Interesse zu erzeugen. Man braucht politisches Engagement und Anreize zur CO2-Einsparung. Das kann beispielsweise auch über eine Förderung pro Kilogramm verbautes Holz passieren. Darüber hinaus plädiere ich für Kostenwahrheit.

Bezüglich Lebenszykluskosten?
Genau. Man muss die graue Energie miteinberechnen – dann erkennt man, dass der Holzbau tatsächlich nicht teurer ist. Außerdem muss man auch auf die Qualität schauen: Natürlich ist eine Fertigteilwand aus Beton mit Styropordämmung billiger. Aber ist das mit einem Bauteil aus nachwachsenden Rohstoffen vergleichbar? Dann sollte man noch beachten, dass die verkürzte Bauzeit beim Holzbau gegenüber der mineralischen Massivbauweise eine frühere Nutzbarkeit und damit wiederum Einsparungen mit sich bringt. Ich denke, wir müssen uns auf die Vorteile konzentrieren und sagen: „Der Kostenunterschied ist äußerst gering, der qualitative Gewinn dafür umso größer.“

Wie sehen Sie die Thematik Ausbildung und Fachkräftemangel?
Meines Erachtens ist die Bildung das wichtigste Zukunftsthema im Holzbau. Der Fachkräftemangel wird das Hauptproblem sein. Wir wollen nicht dahin kommen, dass uns quasi industrielle Produkte zur Montage angeboten werden und wir zu den Monteuren der Industrie verkommen. Es braucht den Fachmann vor Ort. Auch in der Planung, wo man sich an der Ausbildung zum Holzbauingenieur der Schweiz orientieren kann. Es braucht aber nicht nur Spezialisten, vielmehr muss der Holzbau in allen Ausbildungen im Baubereich ein gleichwertiges Thema zum Massivbau sein. Insbesondere braucht es mehr Holzbauausbildung in der Architektur. Es gibt genug holzbaubegeisterte Studierende. Die müssen mit dem richtigen Angebot versorgt werden. Auch für Quereinsteiger muss ein attraktives Angebot gemacht werden, um dem Wachstum der Branche gerecht zu werden. Holzbau ist die innovativste Sparte im Baugewerbe und diesem Umstand muss unsere Ausbildung Rechnung tragen. Es braucht ein Angebot für Umschulungen, z.B. aus anderen Bauberufen, oder Fortbildungen zur Höherqualifizierung innerhalb der Branche.

Es gibt also noch viel zu tun. Wie hat sich die Branche in Ihren Augen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Ich war 13 Jahre in der Bauinnung tätig. Als ich dort begonnen habe, war der Holzbau nur ein Randthema, dann kam der erste Aufschwung. Mittlerweile haben viele große Massivbauunternehmen eine eigene Holzbauabteilung. Ich glaube, dass diese Entwicklung ein wichtiger Schritt ist, um Vorurteile abzubauen und gleichzeitig die Fähigkeiten zu nutzen, als Generalunternehmer aufzutreten. So entstehen Vorzeigeprojekte, die eine Resonanz erzeugen. 20 Geschosse in Holz führen dazu, dass man über einen Dreigeschosser nicht mehr diskutieren muss.