Klimaneutraler Gebäudesektor erst 2075?

Ein Artikel von Birgit Gruber | 24.09.2024 - 12:54

Bekanntermaßen hat es sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Klimaneutralität im Gebäudesektor bis 2040 herzustellen. Um diese Mammutaufgabe zu stemmen, müsste die Sanierungsquoten in Österreich deutlich erhöht werden. Dafür wären Investitionen im Ausmaß von insgesamt 259 Mrd. € notwendig. Das entspricht in etwa dem Fünffachen der jährlichen Bauproduktion. 

„Doch selbst wenn man das Geld dafür aufbringen würde, ist der definierte Zielpfad nicht zu schaffen“, stellt Studienautor Andreas Kreutzer von Branchenradar Marktanalyse fest. Grund dafür seien die unzureichenden Personalkapazitäten im Bauhandwerk. Im Lehrberuf Gebäude- und Installationstechnik, Maler und Beschichtungstechniker sowie Spengler bestand im vergangenen Jahr jeder Dritte die Abschlussprüfung nicht, bei Dachdeckern, Zimmerern und Maurern war es knapp jeder Fünfte. Auch unter der Annahme, dass sich in Zukunft mehr ausländische Fachkräfte rekrutieren ließen und die Ausbildungsquote wachse, sei eine vollständige Dekarbonisierung des Gebäudesektors vor 2075 unter den derzeitigen Rahmenbedingungen wenig realistisch, heißt es in der Studie. 

Am wahrscheinlichsten sei die Erreichung der Zielmarke beim Fenstertausch. „Hier errechnen die Modelle eine Durchsanierung im Jahr 2042“, so Co-Autor Dominique Otto. Der Heizungstausch sollte demnach 2046 abgeschlossen sein, eine vollständige thermische Sanierung aller Fassadenflächen indessen erst 2061 und beim Dach dauert es bis 2075. Möchte man den Weg zu einem klimaneutralen Gebäudebestand beschleunigen, brauche es laut Branchenradar folgende Weichenstellungen:

  • Ausbau der Personalkapazitäten, zum einen durch gezielte Migration von Fachkräften ins Bauhandwerk, etwa durch Schaffung spezieller Anreize. Zum anderen durch die Verbesserung der Lehrlingsausbildung, um die Attraktivität von Handwerksberufen (auch für Mädchen) zu erhöhen und die Abschlussquoten zu verbessern.
  • Erhöhung der Produktivität auf der Baustelle durch Verbesserung des Baustellenmanagements. Laut einer Studie der ETH Zürich wird auf den Baustellen im Schnitt nur 60% der Arbeitszeit in tatsächliche Bauleistungen umgesetzt. Der Rest geht durch personal- oder störungsbedingte Unterbrechungen, Auf- und Umräumen, Materialsuche oder Personalstehzeiten verloren.
  • Umfassende Sanierungen stärker fördern: Die zeitgleiche Sanierung der Gebäudehülle (Fenster, Fassade, Dach), kombiniert mit dem Austausch des Heizungssystems ist nicht nur vergleichsweise kostengünstiger als Bauteilsanierungen (Einzelmaßnahmen), sondern auch für die Zielerreichung effektiver. Um die insgesamt deutlich höheren Investitionen zu stützen, müsste allerdings der Förderbonus erhöht werden.

Quelle: Branchenradar