Direkter Zugriff auf den Hersteller abseits der Vertragskette

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 06.03.2025 - 08:41
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Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Ausgangspunkt war ein massiv mangelhaftes Eindeckungsmaterial, welches der Dachdecker verwendet hatte. Sein Auftraggeber errichtete eine Betriebshalle für eine Tischlerei und beauftragte die Dachdeckerei mit der Montage einer Thermodacheindeckung. Das Material dafür wurde direkt vom Rechtsvorgänger der Beklagten bezogen, also vom Hersteller selbst. Es war beim Vertragsabschluss mit der Dachdeckerei klar erkennbar, dass die Paneele an ein weiteres Unternehmen geliefert und verlegt werden sollen.

Die Paneele, die eine übliche Lebensdauer von 20 bis 40 Jahren aufweisen hätten müssen, hatten aber eben massive Mängel. Sie wiesen keine zweifache Beschichtung auf, es fehlte der Haftprimer. Dies führte zu einer Ablösung der Lackbeschichtung. Außerdem war das als Treibmittel für die Schaumbildung im Kern zugemengte Flüssigpentan fehlerhaft, was großflächige Blasenbildung auf den Paneelen verursachte, die deren Tragfähigkeit deutlich reduzierte. Beide Mängel waren aber im Liefer- beziehungsweise Montagezeitpunkt nicht erkennbar. Sie wären auch, wenn man die Mängel entdeckt hätte, weder aufzuhalten noch sanierbar gewesen. Die Mangelbehebung war nur durch Abbau der schadhaften Paneele und durch den Ersatz einer geeignete Dachdeckung möglich.

Nun ging der Bauherr den eher ungewöhnlichen Weg, direkt den Hersteller zu klagen. Aus dem Urteil geht hervor, dass eine Klage gegen den Dachdecker selbst  nicht erfolgreich gewesen wäre. Einerseits war die verschuldensunabhängige Gewährleistung nicht vielversprechend, da die dreijährige Gewährleistungsfrist, die natürlich auch für „versteckte“ Mängel gilt, abgelaufen war. Die zweite Möglichkeit, im Rahmen des Schadenersatzes vorzugehen, wäre aber auch ins Leere gegangen. Denn hier hätte das Verschulden, also ein vorwerfbares Fehlverhalten des verarbeitenden Betriebes gefehlt. Ihm war ja nicht bekannt und hat es auch nicht sein können, dass er fehlerhaftes Material verkauft.

Damit kam nun der Produzent in die Ziehung und verlor den Prozess. Es war der sogenannte Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, der hier dem Hersteller zum Verhängnis wurde. Er hatte schließlich das Material direkt auf die Baustelle geliefert – somit war ihm bekannt, wo das Material für wen eingesetzt werden sollte und dass ein Endabnehmer durch das schadhafte Produkt gefährdet werden könnte. Da der Bauherr seine Ansprüche nicht beim Auftragnehmer durchsetzen konnte, musste der Produzent, obwohl nicht Vertragspartner quasi „herhalten“ und den Schaden ersetzen. Denn er wusste, wo sein Produkt weiterverarbeitet wurde. Dies bedeutet somit, dass die Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertrag auch gegenüber einem Außenstehenden gelten können, der ein Naheverhältnis zu einem Vertragspartner hat – wie es hier der Fall ist.

Aus diesem Grund kam auch in einem älteren Fall ein Estrichhersteller zu seinem Recht. Er hatte beim Baustoffhändler Dämmplatten gekauft und verarbeitet, die aber nicht die vereinbarte Qualität aufwiesen. Da der Produzent dieser Platten aber in Kenntnis davon war, dass die Trittschalldämmplatten mit der zugesagten Belastbarkeit von 10 kN/m² für die Baustelle des Estrichlegers benötigt werden, löste dies – wiederum ohne Vertragsverhältnis – eine Haftung aus.