Gestapelt statt zersiedelt

Ein Artikel von Christina Vogt | 18.03.2024 - 10:27
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Die Bauherrschaft Familie Kendlbacher: Die Pläne für ein Chaletdorf waren schon geschmiedet. Doch dann entschied Familie Kendlbacher um: Nun ergänzen zwei Suitentürme das Moar Gut. © Matthias Warter

Eigentlich wollten sie nur eine höhere Zimmerkapazität. Dass am Ende das gesamte Areal „auf links“ gedreht würde, hatte die Familie Kendlbacher, die das „Moar Gut“ in Großarl führt, wohl nicht erwartet. Als die Bauherren Tom Lechner von LP architektur kontaktierten, bestand bereits eine Planung für ein Chalet-Dorf. Diese Idee verwarfen Bauherren und Architekt gemeinsam. „Nachhaltigkeit und die Ressourcen zu schonen ist für uns immer schon von großer Bedeutung. Nach vielen intensiven Gesprächen haben wir uns entschieden, wenig Fläche zu verbauen und in die Höhe zu wachsen“, berichtet die Familie Kendlbacher. Entstanden sind zwei mehrstöckige Suitentürme, die weniger Fläche versiegeln und so geschickt zueinander in Beziehung stehen, dass jede Wohneinheit den uneingeschränkten Ausblick auf die Umgebung genießt. „So konnten wir zwei Dinge gleichzeitig lösen: Zum einen erreichten wir einen möglichst geringen Footprint, zum anderen hat jeder Gast ein Geschoß für sich selbst und genießt so absolute Privatheit, was sich auch darin äußert, dass jede große Suite per Aufzug direkt zu erreichen ist“, berichtet Tom Lechner: „Die Baukörper sind so angeschnitten, dass aus jedem Blickwinkel des Dorfes eine andere Sicht möglich ist. Die Privatsphäre jeder einzelnen Suite steht im Vordergrund. Die Loggien bieten private Rückzugsoptionen inmitten der Natur.“ Im Ergebnis zeigen sich zwei polygonale Baukörper, die durch ein Treppenhaus miteinander verbunden sind. Die Fassadengestaltung bricht die großvolumigen Baukörper durch eine akzentuierte vertikale und horizontale Gliederung geschickt auf. Dies zeigt sich in klar erkennbaren einzelnen Stockwerken und einem unterschiedlichen vertikalen Lattungsbild. Die Dachflächen sind als begrünte gegenläufige Pultdächer ausgeführt und können gedanklich zu einem großen Satteldach über beide Baukörper hinweg ergänzt werden. Mit den Behörden war der ungewöhnliche Entwurf eng abgestimmt. Der Gestaltungsbeirat von Großarl nahm das Ansinnen ernst und so konnte auf Augenhöhe gemeinsam ein gutes Ergebnis erzielt werden.

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Die neuen Suitentürme des Familienhotels „Moargut“ in Großarl. © Albrecht Imanuel Schnabel

Hochwertiger Innenausbau

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© Albrecht Imanuel Schnabel

Die Ausstattung der Suiten ist hochwertig, die Atmosphäre modern alpin. Zu diesem Eindruck tragen die vielen Sichtholzflächen des Baukörpers bei. Wo mehrschalige Lösungen gefragt waren, konnten diese mit vorgehängten Dreischichtplatten gelöst werden – eine luxuriöse Variante, die nur möglich war, weil der Fokus der Bauherren nicht auf der wirtschaftlichsten, sondern auf der hochwertigsten Lösung lag. „Der Rohbau wurde mit Brettsperrholz aus Fichte errichtet. Die Fassade ist in Lärche gefertigt, der Innenausbau wurde in Fichte sägerau ausgeführt. „Die gesamte verbaute Holzmenge betrug ca. 2600 m³ Fichtenbrettsperrholz. Hinzu kamen ca. 150 m³ Lärchenholz, was rund 5000 m² Fassade ergibt und ca. 150 m³ Fichtenholz für ca. 5000 m² Innenschalung“, rechnet der Zimmerer Sebastian Gruber vor. Für die Fußböden kommen noch einmal rund 900 m2 Kernesche hinzu. Die Brandschutzauflagen erfüllten die Planer in erster Linie durch Überdimensionierungen des Holzes. Diese lösten auch gleich die akustischen Aufgaben, die in diesem Fall nur die vertikale Schallausbreitung berücksichtigen mussten. Hier kamen Schwingbügel zum Einsatz, die die Schallübertragung von Geschoß zu Geschoß unterbinden.

Die Privatsphäre jeder einzelnen Suite steht im Vordergrund. Die Loggien bieten private Rückzugsoptionen inmitten der Natur.

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Architekt Tom Lechner
© Markus Rohrbacher

Gegen die Versiegelung

Die Suitentürme sind ein voller Erfolg, doch wie kam es zu den beiden ungewöhnlichen Baukörpern in Großarl? Die Bauherren selbst hatten Bedenken, als die Chalet-Planungen schon recht weit fortgeschritten waren. Und mit Tom Lechner an ihrer Seite, der einen übergeordneten Blick auf das gesamte Areal hatte, gingen sie die gesamte Planung noch einmal neu von einer anderen Seite aus an. Anstatt eines Einzelprojekts nahmen sie stattdessen das gesamte Gelände in den Fokus. Tom Lechner analysierte die Grundlagen, Erschließungen, Bewegungsprofile und verknüpfte diese mit den anstehenden Bauaufgaben. Gemeinsam mit den Bauherren entwickelte er so einen Masterplan, der das Areal an einigen Stellen völlig neu ordnete. Der riesige Parkplatz verschwand in einer Tiefgarage, die vorhandenen Bauplätze wurden besser ausgenutzt und der Raum dazwischen gezielt der Natur zurückgegeben. Eine attraktive überirdische Wegeverbindung ergänzt das unterirdische Erschließungsnetz, das die gesamte Anlage miteinander verbindet.

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© LP Architektur

Besondere Bauzeit

Wie bei touristischen Bauvorhaben üblich, stand auch für diese Umgestaltung ursprünglich nur ein kleines Zeitfenster zu Verfügung. Doch die besondere Situation rund um die Corona-Pandemie eröffnete den Bauherren und dem Architekten plötzlich neue Möglichkeiten, auf die es schnell zu reagieren galt. Da das Hotel geschlossen bleiben musste, konnten mehrere Bauvorhaben gleichzeitig angegangen werden, was eine schnelle Reaktion aller Beteiligten und eine gute Koordination der unterschiedlichen Bauabschnitte erforderte. Für den Zimmerer Sebastian Gruber bedeutete dies eine große Herausforderung. „Durch die sehr kurze Vorbereitungszeit mussten schnell Zulieferfirmen gefunden werden, die das bewältigen konnten. Die Firma KLH war uns hier ein verlässlicher Partner. Durch die kurze Bauphase haben wir aber auch Montagepartner benötigt. Pongauer Holzbau hat uns bei den Fassadenarbeiten unterstützt“, berichtet der Holzbauprofi.

Der Arbeitsaufwand am gesamten Projekt war beachtlich: Tiefgarage, Turnhalle, Reitplatzüberbauung, Seerestaurant, Wellnessbereich und die Suitentürme sind nur einige der Baustellen, die dafür sorgten, dass zeitweise rund 500 Arbeiter gleichzeitig auf dem Gelände waren. Die Mühe hat sich gelohnt: Im Jahr 2023 ist das Projekt mit dem Salzburger Holzbaupreis ausgezeichnet worden.

Projektdaten

Standort: Großarl
Fertigstellung: 2021
Bauherrschaft:
Familie Kendlbacher, Großarl
Architektur:
LP architektur
Holzbau:
Zimmerei Sebastian Gruber
Systemlieferant:
KLH Massivholz
Holzarten:
Rohbau Fichtebrettsperrholz; Fassade Lärche; Innenausbau in Fichte sägerau
Holzmenge: 2600 m³ BSP, ca. 150 m³ Lärchenholz (ca. 5000 m² Fassade) und ca. 150 m³ Fichtenholz (ca. 5000 m² Innenschalung)
Preise: Salzburger Holzbaupreis 2023