Arbeitswelten neu gewürfelt

Ein Artikel von Birgit Gruber | 17.10.2024 - 07:51
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© Oliver Jaist

Seit ihrer Gründung im Jahr 1947 durch Peter Kostner Senior hat sich die Kostner Unternehmensgruppe kontinuierlich weiterentwickelt. Anfangs auf die Lieferung von Holz und Kohle in Südtirol spezialisiert, erweiterte das Unternehmen mit Sitz in Vahrn sein Angebot um alle Arten von Brenn- und Treibstoffen. Schon früh erkannte Kostner die Notwendigkeit, über die reine Lieferung hinauszugehen. 2007 wurde Ekos gegründet, um sich speziell auf Reinigung und Entsorgung von flüssigen Abfällen zu konzentrieren. Zusätzliche Bürofläche sowie der Wunsch nach einem zentralen Headquarter für den Südtiroler Energielieferanten waren die Ausgangspunkte für die Realisierung eines wegweisenden Projekts. Partner und Partner Architekten aus Berlin, Bergmeister Ingenieure als Tragwerks- und Brandschutzplaner sowie Rubner als ausführendes Holzbauunternehmen waren für die Umsetzung verantwortlich. 

Bürogebäude muss flexibel sein

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Die kompakte Kubatur des neu errichteten Objekts sorgt mit ihrer effizienten Hüllfläche für eine Reduzierung von Energieverlusten und dadurch laufender Kosten für Kühlung und Heizung. © Oliver Jaist

Jörg Finkbeiner, der das Berliner Architekturbüro 2006 mit Klaus Günter gegründet hat, berichtet, wie es zur Zusammenarbeit kam: „Eine Mitarbeiterin aus Österreich hat den Kontakt zum Unternehmen hergestellt. Die Besichtigung eines von uns errichteten Informationszentrums in Berlin-Marzahn hat die Ekos-Leitung schließlich von unserer Arbeit überzeugt. So kamen wir 2020 zu unserem ersten Auftrag im benachbarten Ausland.“ Schnell war nach den ersten Gesprächen klar, dass nur ein Holzbau die Anforderungen für die neuen Räumlichkeiten erfüllen kann. „Der Bauherr war bezüglich des Baustoffes Holz sehr offen und musste nicht wirklich überzeugt werden. Bürogebäude müssen heutzutage sehr flexibel sein. Diese Anpassungsfähigkeit kann ein Holzbau leisten, gerade bei einem dynamischen Betrieb“, weiß Finkbeiner, der im Schwarzwald aufgewachsen ist und eine Leidenschaft für Holz hat. „In allem, was wir tun, steckt immer ein Stück Schwarzwald“, lautet das Motto der Planer. „Ebenso grundsolide sind unsere Ausbildungen zum Zimmermann beziehungsweise Schreiner, die nicht nur unser Fachwissen, sondern auch unsere Leidenschaft für Holz und andere nachwachsende Rohstoffe geprägt haben. Es war klar, damit wollen wir arbeiten“, erzählt Finkbeiner von seinen Anfängen.

Kompakter Würfel spart Energie

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Helle, lichtreflektierende Holzoberflächen in Sichtqualität prägen den Gesamteindruck der Büroräumlichkeiten. © Oliver Jaist

Auf einem Gewerbegebiet in der italienischen Gemeinde Vahrn, nördlich von Brixen, konnten Partner und Partner Architekten dieser Leidenschaft erneut nachgehen. Das Gelände ist inselartig von Verkehrsadern umschlossen. Somit definiert das grundlegende Konzept das neue Ekos-Headquarter als „grüne Insel im Industriegebiet“. Der Neubau ist ein Kubus mit einer Kantenlänge von 17 x 17 m. Fünf Geschoße und eine Dachterrasse als Ausnehmung an der Südseite definieren das Gebäude. An die bestehende Betriebshalle knüpft der Holzbau westlich durch Verbindungsstege im ersten und zweiten Obergeschoß an. Mit einer Bruttogrundfläche von insgesamt 290 m2 bildet es mit der unmittelbar angrenzenden Betriebshalle nun ein kohärentes Ensemble. „Man darf auch nicht vergessen, dass so ein Gebäude einen gewissen Repräsentationscharakter hat – gegenüber den eigenen Mitarbeitern und den Kunden. Nur wenn man die Fragen nach: ,Fühlen wir uns wohl? Geht’s uns gut?’, bejahen kann, hat man als Geschäftsführung alles richtig gemacht“, spielt Finkbeiner erneut auf die Vorteile des ökologischen Baustoffs an. Das Ekos-Headquarter erfüllt diese Ansprüche vom Scheitel bis zur Sohle. Seine kompakte Kubatur sorgt mit einer effizienten Hülle für eine Reduzierung von Energieverlusten und spart Kosten für Kühlung und Heizung.

Aufzugsschacht und Treppe aus Holz

Auf ein Untergeschoß wurde bewusst verzichtet. Nur die Bodenplatte besteht aus Recyclingbeton. Die tragende Struktur bilden Wände und Decken aus Brettsperrholz sowie einzelne Träger und Stützen aus Brettschichtholz. Dank der industriellen Vorfertigung der Massivholzwände im Rubner-Werk konnte das Gebäude in nur einem Jahr realisiert werden. 45 m3 Brettschichtholz sowie 500 m3 Brettsperrholz-Elemente wurden dabei verarbeitet und an die Baustelle transportiert. Selbst der Aufzugsschacht wurde in Massivholz geplant, in zwei Teilen vorgefertigt und vor Ort montiert. Im Zuge der Ingenieurholzbau-Leistungen wurden auch Mehrschichtplatten von Nordpan sowie Türen und Fenster von Rubner verbaut. Das Team aus Brixen zeichnet für die holzbautechnische Planung, werkseitige Vorfertigung, den Transport, die just-in-time Lieferung sowie Montage der gesamten Holzkonstruktion verantwortlich. „Das Werk ist nur einen Steinwurf vom Grundstück entfernt. Dank einer präzisen Planung hat alles wunderbar funktioniert“, lobt Finkbeiner die Zusammenarbeit. Einzig herausfordernd sind laut Architekt die Montage der Holzteile bei stark wechselnden Witterungseinflüssen und eine schwierige Baustellenlogistik gewesen.

Holztreppe als kommunikative Zone

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Die Holztreppe ist die kommunikative Zone des Hauses und stellt einen Sichtbezug zu den Arbeitsplätzen her. © Oliver Jaist

Das Bürogebäude hat ein etwas nach hinten versetztes Atrium als zentrale Anlaufstelle. Dieses ist von Galerien umgeben und besitzt diagonal verlaufende Treppen, die sich in jedem Geschoß überkreuzen und so eine dynamische Verbindung zwischen den Ebenen schaffen. „Die Holztreppe ist die kommunikative Zone des Hauses und stellt einen Sichtbezug zu den Arbeitsplätzen her. So kann es nicht passieren, dass Mitarbeiter im selben Haus arbeiten, sich aber erst bei der Weihnachtsfeier begegnen“, scherzt Finkbeiner. Die Büro- und Besprechungsräume sind alle nach außen orientiert, sodass sie viel Tageslicht erhalten. Auch die Küchen- und Sanitärbereiche sind an den Außenseiten des Gebäudes angeordnet und grenzen an die Betriebshalle im Nordwesten. Zwischen Neubau und Bestandshalle befindet sich auch eine Außentreppe, die als Fluchtweg und gleichzeitig dem Brandschutz dient. „Mehr Maßnahmen mussten nicht getroffen werden. In Deutschland undenkbar“, lobt Finkbeiner die Südtiroler Holzbauvorschriften. Um den Anforderungen der Auftraggeber an eine flexible Nutzung gerecht zu werden, haben die Architekten in regelmäßigen Abständen Trennfugen im Boden und in den Wänden vorgesehen. Diese ermöglichen es, nachträglich Wände einzuziehen und so die Räume auch schalltechnisch voneinander zu trennen. „Zudem sind Beleuchtung, Heizung und Belüftung so ausgelegt, dass ein unkomplizierter Wechsel zwischen Großraumbüros und kleineren Büroeinheiten ohne technische Anpassungen gelingt“, erklärt Finkbeiner.

Bürogebäude müssen heutzutage sehr flexibel sein. Diese Anpassungsfähigkeit kann ein Holzbau leisten, gerade bei einem dynamischen Betrieb.”

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Architekt Jörg Finkbeiner
© Partner und Partner Architekten

Grüne Pflanzen und schwarze Fassade

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Holz in den Innenräumen kann Feuchtigkeit über die Luft aufnehmen und wieder abgeben und verbessert somit das Raumklima in den Büroräumlichkeiten. © Oliver Jaist

Die neue Firmenzentrale zeichnet sich durch eine innovative Fassadengestaltung aus, die sowohl ästhetische als auch funktionale Aspekte vereint. „Die äußere Hülle des Gebäudes besteht aus karbonisierten Tannen-Holzlatten, die durch die gezielte Verkohlung eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Witterungseinflüsse erlangen. Diese dunkle, nahezu schwarze Fassade bildet einen markanten Kontrast zum Inneren des Gebäudes und lässt es in seiner Umgebung nicht so hervorstechen“, weiß der Architekt. Eine zweite, vorgelagerte Fassade aus vertikal gespannten Kletterhilfen aus Metall, die mit Grünpflanzen bewachsen ist, ergänzt die Gebäudehülle. Finkbeiner dazu: „Die grüne Fassade dient als natürlicher Sonnenschutz und verhindert eine Überhitzung der Innenräume, wodurch der Energiebedarf für Heizung und Kühlung reduziert wird. Gleichzeitig ist sie ein Filter gegen Feinstaub und bietet Schutz vor Schlagregen. Die integrierten Pflanzkästen werden pro Stockwerk bei Bedarf automatisch bewässert, um das Pflanzenwachstum optimal zu unterstützen.“

Das Erscheinungsbild des Gebäudes verändert sich mit der grünen Fassade im Laufe des Jahres: Während die Kletterpflanzen im Winter kahl sind und die dunkle Holzfassade in den Vordergrund rückt, sorgt das dichte Blattwerk im Sommer für einen lebhaften grünen Kontrast. Diese dynamische Fassade vereint somit Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und ästhetische Variabilität. „Hier in Vahrn konnten wir zeigen, was wir können. Wir hatten erfreulicherweise Ansprechpartner, die von Anfang an bewusst auf die Möglichkeiten und Vorteile der werkseitig vorgefertigten Massivholzbauweise gesetzt und dieses Potenzial optimal für sich genutzt haben. Auf diese Weise konnten wir gemeinsam ein Bürogebäude realisieren, das höchste ökologische, soziale und ästhetische Aspekte vereint“, resümiert Rubner-Geschäftsführer Peter Rosatti. 

Projektdaten

Standort: Vahrn, Südtirol
Fertigstellung: 2022
Bauherr: Kostner Unternehmensgruppe
Architektur: Partner und Partner Architekten
Holzbau: Rubner
Tragwerks- und Brandschutzplanung, Gebäudetechnik, Sicherheitskoordination: Bergmeister Ingenieure
Gebäudenutzfläche: 1250 m²
Verbaute Holzmenge: ca. 45 m³ Brettschichtholz-Konstruktion, ca. 500 m³ (= ca. 2900 m²) Brettsperrholz-Elemente, Stärke 120 bis 280 mm, im Innenbereich 90 % in Sichtqualität