Green Deal – Auswirkungen auf die EU-Bauproduktenormung

Ein Artikel von Reinhold Steinmaurer | 30.10.2024 - 12:50
  1. Den sensiblen Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen und energetisches Bauen voranzutreiben (energetisches Bauen = ein Bauwerk mit dem kleinstmöglichen Energieverbrauch zu errichten und zu betreiben).
  2. Die Sanierung privaten Wohnraums und der öffentlichen Gebäude zu forcieren.

Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft

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Reinhold Steinmaurer, Normung und Technik, holzbau austria © holzbau austria

Am 17. Februar 2021 wurde der Aktionsplan vom Europäischen Parlament mit großer Mehrheit verabschiedet. Im März 2022 schlug die Europäische Kommission das erste Maßnahmenpaket zur Beschleunigung des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft vor. Die Bauwirtschaft ist für rund 50 % der gesamten Rohstoffgewinnung und über 35 % des gesamten Abfallaufkommens in der Union verantwortlich.

Im Aktionsplan der Kommission wird daher der Bereich „Bauwirtschaft und Gebäude“ als einer der sieben Schlüsselbereiche ausgemacht, die wesentlich für die Verwirklichung einer Kreislaufwirtschaft sind. Verbesserungen sollen durch Verlängerung der Lebensdauer von Gebäuden, Reduktion des CO2-Fußabdrucks von Materialien und Mindestanforderungen an die Ressourcen- und Energieeffizienz erzielt werden. Dementsprechend nahm im März 2024 das Parlament eine Aktualisierung der Vorschriften über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EU-Gebäuderichtlinie) an, die darauf abzielt, bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudesektor zu schaffen.

Ziele der EU-Gebäuderichtlinie neu

- Renovierung des Gebäudebestands und Ausstieg aus fossilen Heizungssystemen

- Erstellung nationaler Gebäudesanierungspläne

- Umbau des Gebäudebestands zu Nullemissionsgebäuden bis 2050 (sowohl öffentliche als auch private     Wohn- und Nichtwohngebäude)

- Errichtung von Nullemissionsgebäuden:
    > Neue öffentliche Gebäude: ab dem 1.1.2028
    > Alle neuen Gebäude: ab dem 1.1.2030

Zudem sollen Anreize für nachhaltige Investitionen geschaffen werden, was durch die EU-Taxonomie-Verordnung gelingen soll.

EU-Taxonomie Verordnung

  • Die Taxonomie ist ein EU-weit gültiges System zur Klassifizierung von nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten. 
  • Sie wird eine Schlüsselrolle bei der Lenkung der Kapitalströme hin zu nachhaltigen Investitionen spielen. 
  • Einheitliche, transparente Kriterien zur Beurteilung sollen festlegen, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als „ökologisch nachhaltig“ anzusehen sind.
  • Damit kann die Werthaltigkeit einer Investition dargestellt werden, was zu besseren Kreditmöglichkeiten verhelfen soll.

Umweltziele der EU-Taxonomie Verordnung sind:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltige Nutzung von Wasser und Meeresressourcen
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  • Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystem

Bauprodukteverordnung (BauPV) neu

Im Oktober 2019 hat die Europäische Kommission einen Evaluierungsbericht zur Bauproduktenverordnung vorgelegt, in dem Schwachstellen benannt wurden, vor allem eine unzureichende Leistung und Ergebnisqualität des Normungssystems. Im Bericht ist auch von einer möglichen Überarbeitung der Bauprodukteverordnung die Rede. Erstmalig angekündigt wird die Überarbeitung der Bauproduktenverordnung dann auch in der Mitteilung der Kommission zum europäischen Green Deal vom Dezember 2019. Das EU-Parlament hat in der Sitzung am 10. April 2024 mehrheitlich für den finalen Gesetzesentwurf votiert. Die finalen Abstimmungen im EU-Parlament sowie im Rat der Europäischen Union sind für Herbst 2024 geplant. 

Visionen: Wirkung der künftigen Bauprodukteverordnung

- Funktionsweise des Binnenmarktes
    > Wachstums- und Beschäftigungspotenzial
    > Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit 
    > Digitale Umstellung des Bauwesens

- Umweltverträglichkeit
    > grüner Übergang der Herstellungsprozesse
    > Gesamtnachhaltigkeit der gebauten Umwelt
    > effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen durch Erleichterung der Wiederverwendung und des         Recyclings

Auswirkungen auf die Normung – der Acquis-Prozess

Sämtliche vorstehenden Themen haben Auswirkungen auf die europäische Bauproduktenormung. Es wurde von der EU-Kommission beschlossen, die im Anhang der Bauprodukteverordnung genannten Produktfamilien, u.a. Produkte aus Bauholz für tragende Zwecke und Holzverbindungsmittel, gemeinsam mit einer „BauPVO-Acquis-Expertengruppe“ zu sichten und innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten der BauPVO einen Arbeitsplan für die Aktualisierung der Normen vorzulegen.

Die Übergangszeit, bis wann die Überarbeitung der bestehenden, harmonisierten Normen mit Umwelt- und Nachhaltigkeitskriterien abgeschlossen sein muss, beträgt nach Inkrafttreten der neuen EU-Bauprodukteverordnung genau 15 Jahre. Spätestens ein Jahr nach der Einführung einer Norm unter der neuen BauPVO  ist diese als Grundlage für die CE-Kennzeichnung und die Leistungs- und Konformitätserklärung heranzuziehen. Im Übergangszeitraum von 15 Jahren (bis 2039) werden Teile der „alten“ BauPVO und die neue BauPVO parallel zur Anwendung kommen.

Es gibt bereits eine erste Festlegung der Reihenfolge der Abarbeitung, bei der die Produkte aus Bauholz für tragende Zwecke an 7. Stelle zu finden sind. Aufgrund des James-Elliott-Urteils des Europäischen Gerichtshofes EuGH vom 27.10.2016 (Az.: C 613/14) hat die Europäische Kommission strengere formal-juristische Anforderungen an harmonisierte technische Spezifikationen abgeleitet. Es werden nun die von der europäischen Normungsorganisation CEN vorgelegten Normen auf ihre Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Normungsauftrag durch Consultants geprüft und bewertet. 

Die Auswirkungen auf die Normung sind deshalb dramatisch, weil mit einer längeren Überarbeitungsdauer der aktuellen Normen und einem weiteren Stillstand bei der Veröffentlichung neuer europäischer Normen zu rechnen ist. Es können daher neue Erkenntnisse zu bestehenden Normen und dringend benötigte, neu erstellte Normen nicht rasch veröffentlicht werden.