Insgesamt umfassen die überarbeiteten OIB-Richtlinientexte inklusive Leitfäden, Begriffsbestimmungen und erläuternden Bemerkungen etwa 450 Seiten. Wir haben eine Auswahl für Sie getroffen und informieren über die wichtigsten Änderungen aus der Sicht des Holzbaus:
Richtlinie 1 – Tragfähigkeit
Änderung des „rechtmäßigen Bestandes“
(Leitfaden 3.2.)
Insbesondere bei Sanierungen, Um- und Zubauten ist der Begriff des „rechtmäßigen Bestandes“ von zentraler Bedeutung. Bei bestehenden Bauwerken ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, vom für Neubauten festgelegten Zuverlässigkeitsniveau abzuweichen. Im neuen Leitfaden zur Richtlinie 1 ist das wesentlich detaillierter als bisher beschrieben.
Leitfaden und Beispielrechnungen für nachträglichen Einbau von PV-Anlagen
(Leitfaden 4.3., Anhang B)
Wie in puncto Tragfähigkeitsnachweis bei einem nachträglichen Einbau von Photovoltaikanlagen auf bestehenden Dachkonstruktionen vorzugehen ist, wird in der neuen Version des Leitfadens zur Richtlinie 1 im Detail beschrieben. Grundregel: beträgt die Lasterhöhung mehr als 3 %, so ist ein Nachweis der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit nach aktueller Normenlage zu führen. Als Hilfestellung für die Praxis sind im Anhang des Leitfadens Beispielrechnungen enthalten.
Richtlinie 2 – Brandschutz
Regeln für Fassadenbegrünungen und Photovoltaikanlagen an Fassaden
(3.5.12 bis 3.5.14)
Die neue Richtlinie 2 enthält Regeln für begrünte Fassaden und PV-Anlagen an Fassaden. Das Schutzziel der Richtlinie, dass bezogen auf das zweite über dem Brandherd liegende Geschoß eine Brandweiterleitung und das Herabfallen großer Fassadenteile wirksam eingeschränkt wird, gilt natürlich auch für diese Ausführungen. Die Richtlinie 2 und der dazugehörige Leitfaden enthalten jetzt konkrete Anforderungen für diese Ausführungen.
Erleichterungen für freistehende Maschinenhallen
(7.1.7)
Bei freistehenden land- und forstwirtschaftlichen Maschinenhallen bis 1200 m² Netto-Grundfläche sind aufgrund der wesentlich geringeren Abstelldichte der Kraftfahrzeuge keine besonderen brandschutztechnischen Anforderungen erforderlich. In Abhängigkeit der Umgebung kann die Forderung nach einem Abstand durch eine brandabschnittsbildende Wand ersetzt werden.
Neue Flucht-Treppenhaus-Variante bei GK5-Gebäuden
(Tabelle 2b)
Die Tabelle 2b der Richtlinie 2 wurde um eine neue Variante für die Ausführung von Treppenhäusern im Verlauf des einzigen Fluchtweges bei Gebäuden der Gebäudeklasse 5 ergänzt. Jetzt wird auch die Situation mit abgeschlossenem Gang, Freilauftürschließer und Rauchabzugseinrichtung beschriebenen.
Niedrigerer Feuerwiderstand bei Garagen
(Richtlinie 2.2., Tabelle 1, Punkt 2.3. Garagen 50-250 m2)
Bei Garagen neben Gebäuden der Gebäudeklasse 1 (Einfamilienhaus) und Reihenhäusern der Gebäudeklasse 2 gibt es eine Erleichterung: Decke und dem Gebäude zugekehrte Wand muss nur REI 30 sein, wenn die Mindestabstände unterschritten werden. Bisher gab es diese Ausnahmeregelung nicht und es galt wie bei allen Gebäuden eine Anforderung an den Feuerwiderstand von REI 90.
Keine zusätzlichen Anforderungen für Garagen von E-Autos
(Richtlinie 2.2, 10.)
Es wurde klargestellt, dass es keine zusätzlichen Anforderungen an den Brandschutz für das Einstellen von E-Fahrzeugen in überdachten Stellplätze und Garagen gibt. Allerdings gibt es Regelungen abhängig beispielsweise von der Leistung der Ladestationen oder dem Energieinhalt der Batterie.
Richtlinie 3 – Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz
Neue Berechnung der mindesterforderlichen Belichtungsöffnungen bei großen Balkonen
(9.1.3.)
Unter Auskragungen über 3 m wird eine Lichteintrittsfläche von 15 % der Bodenfläche gefordert. Neu ist, dass pro angefangenem zusätzlichen Meter der Auskragung nun 2 % hinzukommen.
Erleichterungen für Wohnbauten am Hang
(11.1.)
Nicht alle Räume der Wohnung müssen über die ganze Fensterseite ein Fußbodenniveau über dem angrenzenden Gelände haben. In der aktuellen Version der Richtlinie 3 reicht es, wenn mindestens ein Aufenthaltsraum jeder Wohnungsebene dieses Kriterium erfüllt.
Richtlinie 4 – Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit
Erleichterungen bei Durchgangsbreiten und -höhen von Treppen
(2.5.)
Treppenwangen mit nicht mehr als 10 cm Breite und 15 cm Höhe müssen nicht von der Durchgangsbreite abgezogen werden. Außerdem darf die Mindestbreite von Treppen im Kopfbereich 25 cm hoch und 25 cm breit eingeschränkt werden. Die zulässige Einengung im Kopfbereich erleichtert eine Erschließung in der Dachschräge, wie sie beispielsweise bei Dachausbauten des Öfteren vorkommt.
Richtlinie 5 – Schallschutz
Niedrigerer Schallschutz von Außenwänden in der Stadt
(2.2.3.)
Die Anforderung an R'res w (Bau-Schalldämm-Maß, bewertetes resultierendes Außenbauteilen gesamt) wurden bei einem Außenlärmpegel knapp über den Minimalwerten (Bereich ca. Tag 50-60 und Nacht 40-50 dB) erheblich, nämlich um etwa 5 dB gesenkt. Das gilt allerdings nicht für die Mindestwerte für einzelne Bauteile (opake Wand, Fenster, ...), welche gleich bleiben.
Niedrigere Anforderungen an Trennbauteile von Klassenräumen und Hotelzimmern
(2.3.)
Die Anforderungen an das Schalldämm-Maß zwischen Klassenräumen und Hotelzimmern sind jetzt um 5 dB niedriger als bei Wohnungen (bisher gleich). Deutlich niedrigere Anforderungen gibt es auch von akustisch abgeschlossenen Nebenräumen, sowohl zu anderen Nutzungseinheiten als auch zu Gängen und Treppenhäusern.
Schutz vor Schallimmissionen von technischen Anlagen
(5.)
Neu hinzugekommen und die vermutlich umfangreichste Änderung in der Richtlinie 5 betrifft technische Anlagen. Damit wird vor allem der Umgang mit Luftwärme-Pumpen stärker geregelt. Aber auch die Schallimmissionen von Klimaanlagen sind im Auge zu behalten. Abhängig von der Tageszeit und der Widmungskategorie werden Anforderungen an den Dauerschallpegel gestellt.
Erweiterter Frequenzbereich der ÖN B 8115-5 bleibt freiwillig
Die ÖN B 8115-5 beschreibt in der aktuellen Ausgabe (2021) bereits in der Basis-Schallschutzklasse C Grenzwerte für die Einzahlkennwerte inkl. den Spektrum Anpassungswerten ab 50 Hz. Die Schallschutzklassen dieser Norm bilden weiterhin die Basis für eine freiwillige Deklaration und müssen bei Bedarf gesondert zivilrechtlich vereinbart werden. In die OIB – Richtlinie 5 wurden sie nicht aufgenommen.
Richtlinie 6 – Energieeinsparung und Wärmeschutz
Der beste Schutz vor Energiepreissteigerungen: besser gedämmte Gebäude
Die Anforderungen an die thermische Qualität der Gebäudehülle wurden deutlich erhöht. Der zulässige Heizwärmebedarf für neue Wohnbauten wurde bei einem Nachweis in Verbindung mit dem sg. Gesamtenergieeffizienzfaktor (fgEE) über alle Gebäudekategorien bei typischen Gebäudeformen (Kompaktheit) um etwa 15 % gesenkt. Statt der sg. 16er wird jetzt die 14er Linie angewendet.
Für diese Änderung gibt es gute Gründe: die enorm gestiegenen Energiekosten aufgrund des Ukraine-Krieges führen zu deutlichen Änderungen der Kostenoptimalität. Dem wird in der neuen OIB-Richtlinie Rechnung getragen. Wärmedämmung und eine Investition in die thermische Qualität der Gebäudehülle zahlen sich damit noch mehr aus als schon bisher.
Sommerlicher Wärmeschutz durch Verschattung nachweisen
(4.9.)
Alternativ zum Nachweis der Unterschreitung einer bestimmten Grenz-Temperatur, kann man jetzt auch Verschattungen mit einem Mindest-Verschattungsgrad vorsehen. Der Ansatz, dass die Sommertauglichkeit auch über eine entsprechende Verschattung nachgewiesen wird, entspricht Erkenntnissen aus Forschung wie Praxis. Es ist davon auszugehen, dass durch die Klimaerwärmung häufiger als bisher Tropennächte auftreten in denen es nicht mehr richtig abkühlt. In diesem Szenario kühlen große Speichermassen nicht mehr ab und werden zur Hitzefalle.
Richtline 7 – Grundlagendokument: Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen
Die bestehenden sechs OIB-Richtlinien gliedern sich entsprechend den Grundanforderungen an Bauwerke der Europäischen Bauprodukteverordnung. Für die dort formulierte 7. Grundanforderung „Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ wurde bisher keine OIB-Richtlinie veröffentlicht. Mit der EU-Bauprodukteverordnung und der EU Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden werden derzeit zwei zentrale Grundlagen-Dokumente für eine geplante OIB-Richtlinie 7 überarbeitet.
In beiden europäischen Regelwerken ist eine zentrale Bedeutung des GWP – Global Warming Potentials (Treibausgaspotenzial) zu erwarten. Das ist konsequent, denn eine Minimierung des Treibhausgaspotenzials aus dem Bausektor stellt einen wesentlichen Ansatzpunkt zu Bekämpfung des Klimawandels dar. Aus verschiedenen Studien und Vergleichsrechnungen geht hervor, dass Gebäude aus Holz von der Herstellung bis zum Rückbau bis zu 50 % weniger CO2-Äquivialent verursachen als Gebäude aus mineralischen Baustoffen. Dabei ist der Kohlenstoff-Speichereffekt des Holzes noch gar nicht berücksichtigt.
Im Grundlagendokument werden neben dem GWP eine Dokumentation der eingesetzten Materialien und Ressourcen, sowie die Themen Bauabfälle, Nutzungsdauer und Rückbau im Überblick behandelt. Detailliertere Angaben werden vermutlich erst nach dem Erscheinen der europäischen Regelwerke ausgearbeitet werden können. Wann eine OIB-Richtlinie 7 erstmals herausgegeben wird, ist derzeit nicht absehbar. Die nächste reguläre Überarbeitung der OIB Richtlinien wäre in 4 Jahren, also 2027 zu erwarten.
Wer oder was ist eigentlich das OIB?
OIB steht für Österreichisches Institut für Bautechnik. Das OIB ist ein gemeinnütziger Verein, dem alle Österreichischen Bundesländer als Mitglieder angehören. Um den Bundesländern die Vereinheitlichung der bautechnischen Anforderungen in den Bauordnungen zu ermöglichen, gibt das OIB die OIB-Richtlinien heraus. Alle Bundesländer haben die OIB-Richtlinien 2019 in ihren Bauordnungen für verbindlich erklärt (siehe Tabelle).
Bundesland |
OIB-Richtlinien 1 bis 5 |
OIB-Richtlinie 6 |
Burgenland |
10. April 2021 |
10. April 2021 |
Kärnten |
12. September 2020 |
12. September 2020 |
Niederösterreich |
1. Juli 2021 |
1. Juli 2021 |
Oberösterreich |
1. September 2020 |
1. September 2020 |
Salzburg |
1. Oktober 2021 |
- |
Steiermark |
1. September 2020 |
1. September 2020 |
Tirol |
1. Juni 2020 |
1. Juni 2020 |
Vorarlberg |
1. Jänner 2022 |
1. Jänner 2022 |
Wien |
1. Februar 2020 |
1. Februar 2020 |
Die landesrechtlichen Regelungen weichen jedoch in einzelnen Punkten von den OIB-Richtlinien ab. Deshalb müssen diese immer parallel mit den jeweiligen Landesgesetzen gelesen werden.