Die Auseinandersetzung mit bereits gebautem Bestand und die Verlängerung seiner Nutzungsdauer sind sowohl respektvolle Umgänge mit unserem baukulturellen Erbe als auch wesentliche Beiträge zur aktuellen Ressourcenfrage in Bezug auf Material- und Flächenverbrauch – ganz besonders, wenn man eine ehrliche Lebenszyklusbetrachtung anstellt und kreislauffähige Bauprodukte wie Holz einsetzt. Neben Leerstand ist auch Abriss grundsätzlich kritisch zu hinterfragen, denn Rückbau mit anschließendem Neubau verbraucht gegenüber der Sanierung hinsichtlich Energiebilanz die vierfachen Ressourcen.
Der Umgang mit Bestand erfordert freilich stets ein gutes Stück Demut – und bietet zugleich einen spannenden Planungs- und Umsetzungsprozess, der solides Know-how voraussetzt. Denn im Vergleich zum Neubau sind die Spielregeln straffer, Rahmenbedingungen bereits vielschichtig und komplex vorhanden. Es lohnt sich, Österreichs Förderdschungel in Sachen Revitalisierung und Ortskernaktivierung zu durchforsten – monetäre Anreizsysteme gibt es durchaus – leider stehen die baugesetzlichen Erleichterungen für Altbausanierung oder -nutzungsänderung jedoch gegenüber dem Neubau immer noch hintan.
Volksschule Bad Aussee
Die Volksschule in Bad Aussee, im unmittelbaren Stadtzentrum neben der Kirche und innerhalb der Ortsbildschutzzone gelegen, bestand vormals aus einem denkmalgeschützten Gebäudeteil direkt an der Straße und einem dahinter liegenden, baufälligen 70er- Jahre-Baukörper. Letzterer wurde rückgebaut, durch einen dem heutigen erforderlichen Raumprogramm entsprechenden ersetzt und mit dem historischen Teil verbunden.
Planung und örtliche Bauaufsicht: ROSA Architektur, Bad Mitterndorf
Ausführung Holzbau: Kieninger, Bad Goisern
Zugleich aber offerieren Altbauten oftmals versteckte Qualitäten: zentrale Lagen, charmante Konfigurationen, hohe Raum- und Aufenthaltsqualitäten. Innerörtliche Gebäude nehmen zudem oft eine wichtige Rolle im Dorfgefüge ein, vermitteln Werte, Authentizität und Identifikation. Nicht jeder Umbau wird sich in ästhetischer Hinsicht mit neu geplanten Hochglanzarchitekturprojekten messen können – und auch hier ist ein Umdenken erforderlich: bei uns Architekten und Planern, bei Architekturbüchern und -zeitschriften, bei Architekturpreisen und -wettbewerben.
Aus all diesen Gedanken heraus haben öffentliche Gebäude wie etwa Schulen oder Kindergärten stets auch eine besondere Vorbildwirkung. Gemeinden sind daher gut beraten, bewusst zu handeln und ihre Bestandsgebäude oder gar Gebäudebrachen geschickt zu revitalisieren und bei Bedarf zu ergänzen – am besten natürlich in Holz!
HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Die HBLFA in Irdning (siehe auch Bild S. 36) vereint Forschung und Lehre für Land- und Forstwirtschaft unter einem Dach. Seit dem umfassenden Um- und Zubau im Bereich Foyer, Küche und Speisesaal bieten die großzügigen und mit XL-Panoramafenstern mit Blick auf den Grimming und die Bergwelt des Ennstales ausgestatteten Räumlichkeiten nicht nur Platz und Atmosphäre zum gemeinsamen Essen von Schülern und Pädagogen, sondern auch einen qualitätvollen Rahmen für die zahlreichen hochkarätigen externen Veranstaltungen.
Das Thema Holz zieht sich nicht nur inhaltlich, sondern mittlerweile auch zeitgemäß bei Konstruktion und Innenausstattung durch sämtliche Adaptierungen des ehemaligen Nachkriegsgebäudes. Gerade in Bezug auf Aufenthaltsqualität, angenehme Akustik und Hörsamkeit konnte hier ein Quantensprung erzielt werden. Der gesamte Zubautrakt kam ohne zusätzliche Bodenversiegelung aus – wurde er doch auf ein altbestehendes Kellergeschoß aufgesetzt.
Planung und örtliche Bauaufsicht: ROSA Architektur, Bad Mitterndorf
Ausführung Holzbau: Bartl, Stein an der Enns
Bildungsbauten sollen zudem als Orte gestaltet sein, wo Kinder und Jugendliche gerne lernen und leben. Schüler sind daher die wertvollsten Multiplikatoren, wenn sie in die Projektierung ihrer Schulsanierung und den Umgang mit Bestand eingebunden sind.
Aus eigener Feder möchte ich eine Auswahl unserer Schul- und Kindergartenbauten vorstellen, die wir immer nach denselben Prinzipien projektiert haben:
Im Mittelpunkt jeder Planung stehen der Mensch, der Nutzer, die Kinder – daher wurde der architektonische Fokus nicht auf spektakuläre Außenarchitektur gelegt, sondern auf Gebrauchstauglichkeit sowie optimale und funktionelle, nutzerfreundliche Grundrisslösungen, in denen sich jedermann gut orientieren kann, die man flexibel nutzen kann, die Identität stiften und hohe Aufenthaltsqualität aufweisen.
Oftmals stand im Vorfeld der Wunsch der Gemeinde nach einem Neubau „auf der grünen Wiese“ parat. Sämtlichen Projekten ging somit eine umfassende Standort- und Projektentwicklung voraus, die hinsichtlich Qualitäten, Auswirkungen, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sowohl die Neubauvariante als auch die Option des Bauens im Bestand durchleuchtete. Die klaren Vorteile der „Re-use“-Variante trugen jeweils maßgeblich dazu bei, dass nach einer Phase intensiver Überzeugungsarbeit die Weichen Richtung Bestandssanierung und -Erweiterung gesetzt werden konnten. Die Ergebnisse konnten letztlich auch stets politisch gut „verkauft“ werden:
Kinderkrippe Aigen
Auf einer Baulücke innerhalb des Zentrums von Aigen im Ennstal, umgeben von einem bestehenden Generationenhaus, einer Veranstaltungshalle und Sportstätten, wurde die gänzlich in Holzbauweise errichtete Kinderkrippe gebaut.
Planung und örtliche Bauaufsicht: ROSA Architektur, Bad Mitterndorf Ausführung Holzbau: Steinberger, Irdning
Ortskernbelebung, innerstädtische Synergien, verringertes Mobilitätsaufkommen, bestehende Ressourcen. Maßgeblich war bei unseren Vergleichsstudien auch stets die Wirtschaftlichkeit. Zusammenfassend ergab sich bei der Sanierungsoption samt Zubau des Raumfehlbedarfs durchschnittlich jeweils eine Kostenersparnis von rund einem Fünftel im Vergleich zum Neubau.
Bei sämtlichen Beispielen wurde der Altbestand behutsam saniert, Zubauten oder Aufstockungen in Holzbauweise errichtet bzw. das gesamte Innenleben in Massivholz gestaltet. Zusätzlicher Bodenverbrauch war nicht erforderlich, zumeist konnten versiegelte Außenflächen sogar rückgebaut und begrünt werden.