Ausnahmen bestätigen die Regel
Die landesrechtlichen Regelungen weichen in einzelnen Punkten von den OIB-Richtlinien ab. Deshalb müssen diese immer parallel mit den jeweiligen Landesgesetzen gelesen werden. Insgesamt umfassen die neuen Richtlinientexte inklusive Leitfäden, Begriffsbestimmungen und erläuternder Bemerkungen etwa 450 Seiten. Deshalb lesen Sie hier eine Auswahl der wichtigsten Änderungen aus der Sicht des Holzbaus:
Allgemein Abweichung im Einzelfall erweitert
Generell wurde die Möglichkeit, von den Bestimmungen der OIB-Richtlinien abzuweichen, stärker hervorgehoben als bisher. Voraussetzung ist die Einhaltung des Schutzniveaus, das in der OIB-Richtlinie gefordert wird. Neu ist, dass das jetzt auch in der Richtlinie 5 – Schallschutz enthalten ist.
Allgemein Abweichungen bei rechtmäßigen Bestandsbauten
Was sich ebenfalls durch viele Richtlinien zieht, ist die Möglichkeit, dass man bei Bestandsbauten von den Anforderungen abweichen kann. Das ursprüngliche Anforderungsniveau des „rechtmäßigen Bestandes“ darf aber nicht verschlechtert werden. Auch das war schon bisher in vielen Ländern möglich, wurde jetzt aber stärker hervorgehoben.
Richtlinie 2 – 3.4. Schächte, Kanäle, Leitungen und sonstige Einbauten
Die Brennbarkeit der Materialien an den Schachtinnenseiten von Gebäuden ab der Gebäudeklasse 3 wird genauer geregelt, außerdem werden bei Zählerkästen und Stockwerksverteilern in Treppenhäusern Anforderungen an den Feuerwiderstand gestellt.
Richtlinie 2 – 3.5.8. Hinterlüftete Fassaden in den Gebäudeklassen 4 und 5
Hinterlüftete Fassaden aus Holz waren schon bisher auch in den Gebäudeklassen 4 und 5 möglich, jetzt wurden einige nachweisfreie Ausführungsvarianten aufgenommen. Dadurch kann unter bestimmten Voraussetzungen eine auskragende Brandschutzabschottung mit einem durchgehenden Profil zwischen den Geschossen entfallen.
Richtlinie 2 – 7.5. – 7.8. Kochrezepte für Sonderbauten
Für Altenheime, Pflegeheime, Krankenhäuser und Versammlungsstätten war bisher immer ein individuelles Brandschutzkonzept nach dem Leitfaden zur OIB-Richtlinie 2 erforderlich. Jetzt sind für diese Standardlösungen enthalten.
Richtlinie 2 Tabelle 1b: Erleichterungen für Aufstockungen und Dachgeschosswohnungen aus Holz
In der Gebäudeklasse 5, bis 6 oberirdische Geschosse können tragende Bauteile unter bestimmten Vo-
raussetzungen in den beiden obersten Geschossen in REI 60 ausgeführt werden. Ausgebaute Dachräume und Aufstockungen können dadurch wirtschaftlicher umgesetzt werden.
Richtlinie 3 – 3.1.2. Was ist ein kleiner Balkon?
Schon bisher konnten die Sammlung und Ableitung von Niederschlagswässern für „kleine“ Balkone entfallen. Jetzt wurde erstmals eine konkrete Größenangabe, nämlich 5 m2 aufgenommen.
Richtlinie 3 – 8.2.1. Radonemissionen aus dem Untergrund
Der bisherige rein zielorientierte Punkt 8.2 wurde betreffend Radonemissionen aus dem Untergrund zwecks Umsetzung der Richtlinie 2013/59/Euratom konkretisiert. Für die Umsetzung wird in den Erläuternden Bemerkungen auf die Radonverordnung, die Website radon.gv.at und auf die ÖNORM S 5280-2 „Radon – Teil 2: Bautechnische Vorsorgemaßnahmen bei Gebäuden“ verwiesen.
Richtlinie 3 – 8.2.2. Radioaktivität: Baustoffe mit natürlicher Gamma-Strahlung
Der bisherige rein zielorientierte Punkt 8.2 wurde betreffend Gammastrahlung aus Bauprodukten zwecks Umsetzung der Richtlinie 2013/59/Euratom konkretisiert. Eine Liste von Materialien, die Gammastrahlung emittieren, ist im Anhang B dieser Richtlinie angeführt. Für Bauprodukte, die beispielsweise Granitoide, Puzzolane oder Rotschlamm enthalten, muss gemäß der Richtlinie ein entsprechender Nachweis erfolgen. Holz ist als nachwachsender, organischer Baustoff nicht davon betroffen.
Richtlinie 4 – 3.2.6. Erleichterungen bei Handläufen
Ein Handlauf auf einer Seite genügt explizit nun auch bei Treppen in Häusern mit maximal 3 Wohnungen (bisher 2) und bei Wohnungstreppen. Außerdem wurde klargestellt, dass Handläufe nur bei Treppenläufen, nicht aber bei Podesten erforderlich sind. Dort sind jedoch unter Umständen Absturzsicherungen erforderlich.
Richtlinie 4 – 7.4.2. Automatisch öffnende Türen statt Anfahrbereiche
Bei anpassbar zu errichtenden Wohnungen wurde zusätzlich die Möglichkeit eingeräumt, die Barrierefreiheit durch das Vorsehen von automatisch öffnenden Türen herzustellen. Dadurch können unter Umständen Anfahrbereiche entfallen und insbesondere bei Erschließungen wertvolle Flächen eingespart werden.
Richtlinie 4 – 7.7. Erleichterungen für Bestandsbauten
Für Bestandsbauten werden einige Erleichterungen angeboten: zB. sind nun Rampen mit 10 % Gefälle (statt 6 %) zulässig oder die barrierefreie Erschließung über einen Nebeneingang.
Richtlinie 5 – 2.2.3., 2.2.4. Senkung der Schalldämmwerte an der Grundgrenze
Die Anforderungen an die Schalldämmung von Außenwandbauteilen an Nachbargrundstücks- bzw. an Bauplatzgrenzen wurden von 52 dB auf 48 dB gesenkt.
Richtlinie 5 – 2.5. Trittschall von Balkonen
Die zulässigen Standard-Trittschallpegel aus Balkonen in Aufenthalts- und Nebenräume werden jetzt definiert. Im Vergleich zu Loggien sind bei Balkonen um 2 dB höhere Werte erlaubt.
Richtlinie 5 – 2.10. Geringere Anforderungen für kleine Räume
Für Räume mit einem Volumen von nicht mehr als 10 m3 gelten beim baulichen Schallschutz um 5 dB geringere Anforderungen.
Richtlinie 5 Definition Nutzungseinheiten, organisatorische Maßnahmen
Bei Schulen sind die Klassenzimmer bzgl. Schallschutzanforderungen als eigene Nutzungseinheiten zu sehen. Bei Kindergärten sind dies die Gruppenräume, bei Krankenhäusern, Heimen und Hotels die einzelnen Zimmer. Das wurde jetzt in Tabellen mit Schallschutzangaben in den Fußnoten klargestellt. Aber gemäß dem Punkt 2.9. können bei diesen Gebäuden zum Schutz vor Lärm auch organisatorische und (raum-) akustische Maßnahmen berücksichtigt werden.
Richtlinie 6 – 3. Energieausweis für beheizte Werkstätten
Bei „sonstigen konditionierten Gebäuden“, wie bspw. Werk- oder Produktionsstätten, braucht man in der OIB Richtlinie 2019 (wieder) einen Energieausweis. Werden diese Gebäude auf eine Innentemperatur von weniger als 16 °C beheizt, dürfen die Anforderungen an wärmeübertragende Bauteile um 50 % überschritten werden.
Richtlinie 6 – 4.2. Höhere Anforderungen durch Umsetzung des „Nationalen Plans“
Die Senkung der Faktoren für die Berechnung der Höchstwerte für den Heizwärmebedarf wird schrittweise umgesetzt: zB. bei einem kompakten Neubau-Einfamilienhaus verringert sich der zul. HWB schrittweise von derzeit 42,77 auf 36,66 (ab Inkrafttreten) und ab 2021 auf 30,55 kWh/m2a. Beim Nachweis über den fGEE (Gesamtenergieeffizienzfaktor) bleiben die Anforderungen an den HWB gleich wie bisher. Der zulässige fGEE geht aber auch schrittweise zurück.
Richtlinie 6 – 4.9. Sommerliche Überwärmung
Beim Schutz vor sommerlicher Überwärmung wird in der neuen Richtlinie berücksichtigt, dass die Einhaltung einer bestimmten Temperatur im Raum unabhängig vom Standort nicht möglich ist. Deshalb ist die Anforderung bei Wohngebäuden abhängig vom Standortklima. Die Intention, den sommerlichen Wärmeschutz über die Angabe einer mindesterforderlichen speicherfähigen Masse herzustellen, wurde aufgegeben. Das entspricht auch Erkenntnissen aus der Forschung, wonach Verschattung und Luftwechsel entscheidende Faktoren sind.
Zu beachten ist, dass es sich bei dieser Zusammenfassung um eine
stark gekürzte Darstellung der durchgeführten Änderungen handelt.
In einzelnen Passagen handelt es sich um unsere Auslegung der
vorliegenden Richtlinientexte.