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Holzbauunternehmer Max Renggli.  © Forum Holzbau

Blick in urbane Holzhöhen und in die Zukunft

Ein Artikel von Redaktion | 01.02.2016 - 09:08


Im Dezember wurden 14 Geschosse des welthöchsten Holzhochhauses in der norwegischen Stadt Bergen bezogen. Ein Holzhybridbau mit gar 24 Geschossen soll bald das Stadtbild Wiens prägen. Voller Überzeugung und mit technischen Details beschrieben die beiden Tragwerksplaner Rune Abrahamsen, Sweco („Treet“ in Bergen), und Dr. Richard Woschitz, RWT plus („HoHo“, Wien), ihre Holzhochhaus-Projekte. Diese beiden Mammutbauten blieben aber bei Weitem nicht die einzigen Beispiele für herausragende Planungsleistung und Bauvolumen.

„Verdichten“ heißt das Zauberwort

In seinem Vortrag „Holzbau findet Akzeptanz in den Städten“ vertrat Max Renggli vom gleichnamigen Schweizer Holzbaubetrieb aus Schötz seine tiefste Überzeugung: „Der Holzbau muss sich heute nicht mehr beweisen, wir verfügen über genügend Referenzobjekte. Es ist unglaublich, wie sich der Holzbau derzeit entwickelt. Aber sind wir auch für alle Herausforderungen gewappnet?“ Dass Renggli diese Frage mit „Ja“ beantwortete, erklärte sich durch seine Projektbeschreibung des Freilagers Zürich. Auf 70.500m2 entstehen derzeit 800 Mietwohnungen und 200 Studentenzimmer, die sich auf zehn Neubauten und zwei bestehende, sanierte Gebäude verteilen. Davon werden drei der Neubauten in Holzsystembau realisiert. Bis auf die Erschließungskerne werden die drei sechsgeschossigen Häuser komplett aus Holz erstellt. „Das ist in dieser Gebäudehöhe eine schweizerische Pionierleistung. Ich bin davon überzeugt, dass Betontreppenhäuser in Holzbauten ebenfalls bald der Vergangenheit angehören. Wir werden künftig jedenfalls auch die Treppenhäuser vorfabrizieren.“ Beeindruckend am Fertigstellungsprozess ist das Zeitmanagement. In nur vier Monaten wurde ein 100m langes Gebäude von einem Montagetrupp aus sechs Mann auf die Beine gestellt.

5000m2 Aufstockung am Bestand    

Ein ebenfalls aufgrund der Größe und Bauzeit beeindruckendes Projekt fand in Nürnberg Verwirklichung. Beim sogenannten „TM50“ gelang es, eine Fläche von 5000m2 in nur fünf Monaten aufzustocken. Das in den 1970er-Jahren erbaute Gebäude wurde mit in mehreren Werken vorproduzierten Elementen aufgestockt.

2020: 50% aller Neubauten in Holz

Von der Aktualität und Internationalität des IHF zeugte ebenfalls ein Vortrag von Marie Johansson, Professorin an der Linné-Universität im Süden Schwedens. Die Wissenschaftlerin berichtete von drei neunstöckigen Gebäuden mit jeweils 60 Wohnungen. Der erste Bau war vor einigen Wochen einzugsbereit. Platz findet der Komplex in einer Stadt, die als Holzuniversitätsstadt gilt – in Växjö. Solcherlei Bauten sollen hier bald zum Standard gehören. „Die Holzbaustrategie dieser Stadt sieht vor, dass 2020 bereits 50% aller Neubauten als Holzbau errichtet werden“, konstatiert Johansson. Holzbau und städtische Wohnraumkonzepte haben heute nicht nur einige Berührungspunkte, sondern greifen vielmehr ständig ineinander. Im Angesicht der energiepolitischen Herausforderungen legt der Holzbau als ökologische Baualternative zunehmend international zu. Immer wieder war in Garmisch von Projekten die Rede, die ursprünglich in Beton geplant, letztlich aber – aus unterschiedlichen Beweggründen – in Holzbau- oder Holzhybridbauweise ausgeführt wurden. Um konkurrenzfähig zu bleiben und den Marktbegleitern die Stirn bieten zu können, sei es allerdings erforderlich, sich vor technischen Errungenschaften nicht zu verschließen und diese aktiv mitzutragen. Dies falle dem Holzbau als Branche in ständiger Bewegung nicht allzu schwer und gelte auch als dringende Voraussetzung für zukünftigen Erfolg. Eines dieser Themen betraf das Building Innovation Modeling (BIM), das bereits häufig Anwendung findet. Dass alle Beteiligten zu jeder Zeit Einsicht in den Projektstatus nehmen können, wurde als einer der herausragenden Vorteile beschrieben.

Tablet-Energiekontrolle im Wohnbau

Neben solcherlei Softwareinnovationen spielt das Thema Energieeffizienz, wie bereits erwähnt, eine maßgebliche Rolle auf der Holzbaustelle der Zukunft. Wie perfekt fortschrittliche Energiekonzepte mit dem Holzbau harmonisieren, zeigte Architekt Andreas Wiege. Er beschrieb die Bauphasen eines Aktiv-Stadthauses in Frankfurt am Main, dessen primäre Tragstruktur aus Stahlbeton und dessen gesamte Dach- sowie Außenwandkonstruktion aus Holzrahmenelementen erstellt wurde. Die Hybridkonstruktion zeichnet sich durch 1099 PV-Module aus, die auf 2400m2 am Pultdach und der Fassade des Achtgeschossers montiert wurden. Nicht selbstverständlich, dass jeder Mieter am Stromsparen interessiert ist, wollte die Wohnbaugesellschaft die Bewohner animieren, ihre Energiehaushalte unter Kontrolle zu halten. Deshalb verfügt jede Wohneinheit über einen Tablet-PC, auf dem zu jeder Zeit die Ausnutzung des erzeugten Stroms eingesehen werden kann. Alle steuerbaren Funktionen, wie beispielsweise die Raumtemperatur, lassen sich per Menüführung kontrollieren. Das System ermöglicht es zudem, dass sich die Mieter untereinander anonym im Energiesparen messen können.

Cyber-physische Systeme

So fortschrittlich dieses Projekt in Sachen Energieeffizienz und Vernetzung ist, so interessant und weitreichend gestaltete sich der Ausblick auf Computertechnologien der Zukunft. Dr. Thomas Bauernhansl begeisterte das Auditorium mit Visionen digitaler Natur. In seinem Vortrag „Industrie 4.0 – Die Revolution geht weiter“ prognostizierte er „offene Architekturen mit cyber-physischen Systemen“. Damit würden sich künftig strikte Rangsysteme auflösen und zu höherer Personalisierung und Kundenintegration führen. Die hierarchische Pyramide könnte zum Netzwerk in der digitalen Cloud werden, ist Bauernhansl überzeugt.

Komplettanbieter gefragter denn je

Gerade was Dämmlösungen und Fassadengestaltung, aber auch den Fenstereinbau oder Innenausbau betrifft, bemüht sich die Branche, ökologische Gesamtlösungen anzubieten. Dieser Trend müsse noch stärker gefördert werden. Die Holzbaubranche dürfe nicht nur als Hersteller von Holzbausystemen wahrgenommen werden, sondern als Anbieter von Gesamtlösungen. Zunehmend seien Komplettanbieter zur reibungslosen Projektabwicklung gefragt. Auch das könne die Branche in Zukunft bestens bewerkstelligen.