Alles überblickend stehen sie da – wie drei Wächter im dunklen Holzkleid, die Dolomiten fest im Blick. Leicht über dem Boden schwebend, in drei verschiedene Richtungen ausgerichtet und mit übermäßigem Glaseinsatz bestückt, beeindrucken die geschwungenen Längskörper. Das Restaurant Oberholz bedient sich darüber hinaus der traditionellen Hüttenarchitektur. Tritt man allerdings hinter die Konstruktion, lässt sich die Freiform erkennen. Begibt sich der Gast letztlich ins Innere, offenbart sich das gesamte Ausmaß der Holzbauhochleistung auf 2096 Metern.
Wenn es ein Architekt schafft, einen Neubau in die Umgebung zu integrieren, ohne dass er als Störkörper auffällt und trotzdem unweigerlich Aufmerksamkeit auf sich zieht, hat er wohl alles richtig gemacht. Umso wichtiger scheint diese Kunst im alpinen Bereich, wo Neubauten noch kritischeren Blicken standhalten müssen als im Tal oder in der Stadt. Peter Pichler Architecture (Mailand) und Pavol Mikolajcak (Bozen) überzeugten mit ihrem Teamentwurf den Bauherrn, die Bergbahnen Obereggen, diese Leistung erbringen zu können. Direkt unter dem Oberholzlift im Skigebiet Obereggen schlängeln sich nun drei dezent gehaltene, graue Firstlinien den Berg hinab. Mit fünfeckigem Querschnitt schließen sie ab. „Als würde ein Baum den Berg hinunterfallen, erwachsen die Satteldächer als traditionelle Elemente wie Verästelungen aus dem Berg heraus“, erklärt Pichler den Entwurfsansatz. Die Fronten der auskragenden Längskörper sind voll verglast, sodass der Restaurantgast einerseits geborgen unter einem vermeintlichen Satteldach sitzt und andererseits die Berge gegenüber im Blick hat.
100 Fichtenrippen zur Traumaussicht
Das Herausragende für den Holzbauaffinen ist ohne Zweifel die Dachkonstruktion, die sich vom First hi-nunter bis teilweise zum Restaurantboden zieht. An die 100 Fichtenrippen säumen den Weg in Richtung Traumaussicht. Ein sogenanntes Portal, bestehend aus drei Kammern mit vorgehängten Dreischichtplatten, ist 2, 5 m breit. Die Länge der Elemente variiert aufgrund der Asymmetrie. An der dem Berg zugewandten Seite liegt die Holzkonstruktion am Beton auf, am vorderen Ende dort, wo eine Stahlkonstruktion die drei riesigen Glasflächen hält. Die Zimmermannsarbeiten erledigte LignoAlp mit Stammsitz in Brixen. Das Südtiroler Unternehmen fertigte die Konstruktion im Werk in Deutschnofen inklusive aller Elektroverrohrungen und der Lärchenfassade vor. Selbst der Adler-Holzschutz kam bereits im Werk zur Anwendung.
In 40 Minuten auf der Baustelle
„Aufgrund der Witterung auf 2096 m Seehöhe waren wir gezwungen, einen sehr hohen Vorfertigungsgrad zu wählen. Es hätte leicht sein können, dass es Ende Oktober schneit – und der Schnee bleibt dann liegen“, erklärt Projektleiter Raimund Lamprecht von LignoAlp. Denn der Zeitplan war straff. Erst Mitte Mai, sobald der letzte Schnee geschmolzen war, konnte mit dem Aushub begonnen werden. Die Arbeiten am Holzrohbau starteten im August. Die Konstruktionsplanung und Ausführungsarbeiten des Holzbaus waren dann Mitte Oktober fertiggestellt – inklusive des gesamten Innenausbaus. Dem Vorankommen war die geringe Entfernung der Baustelle vom Werk zuträglich. In weniger als 40 Minuten lieferte der Holzbauer die Elemente von Deutschnofen per Lkw an den knapp 10 km entfernten Bauplatz, um diese dann direkt von der Ladefläche an den endgültigen Bestimmungsort zu hieven und dort zu montieren. Für den Transport der Holzelemente war es notwendig, eine Forststraße zu bauen. Dank des kurzen Weges war es während der Bauphase möglich, Ladungen relativ rasch nachzubestellen.
Planänderung zum Flachdachaufbau
Die mächtige Rippenkonstruktion aus Fichte kommt auf einem mineralischen Unterbau zum Liegen. Vorerst war ein hinterlüftetes Dach vorgesehen. Dieser Plan musste aufgrund der Unmachbarkeit der Kehlen kurzfristig verworfen werden. LignoAlp verwirklichte deshalb einen Dachaufbau, der sonst bei Flachdächern üblich ist. Der Ausgleich der Wärmebrücken durch die Glasfenster spielte dabei eine große Rolle. Da es sich um einen Prototyp handelte, bedurfte es einer Reihe von Druckproben und Dichtheitstests. „Aufgrund der Komplexität des Bauvorhabens brauchte es etliche Detailgespräche mit den Architekten“, erzählt Julian Volgger, der die bauphysikalischen Untersuchungen leitete.
„Voraussetzung für das Gelingen eines solchen Bauvorhabens sind definitiv der Wille beider Seiten, zusammenarbeiten zu wollen, und der rege Austausch während der ganzen Bauphase.“ Genauso sieht das auch Architekt Pichler: „Die Struktur, die Verjüngung der Wand, die zum Dach wird, stellte eine spannende Konstruktionsaufgabe dar. Die organische Hülle in Kombination mit dem natürlichen Werkstoff zu verwirklichen, war die Herausforderung. Die Zusammenarbeit mit LignoAlp hat dementsprechend gut funktioniert.“
Einkehrschwung zum Latschenkieferrisotto
Das Ergebnis veranschaulicht die harmonische Kooperation eindrücklich. Allein aufgrund der Architektur ist die Berghütte Oberholz deshalb einen Einkehrschwung wert. Aber auch gastronomisch liegt sie auf Südtiroler Niveau, hochwertige Küche mit regionalen Zutaten sowie eine ordentliche Weinkarte inkludiert. Hier lässt sich beim Latschenkieferrisotto mit Büffelmozzarella oder beim Wildragout der Ausblick bis nach Bozen genießen. Diese Vorzüge kostete das Team von LignoAlp bei ihrer letzten Weihnachtsfeier bereits aus. War das Ergebnis den Aufwand wert? „Wir lieben die Herausforderung und würden ein solches Projekt sofort wieder machen“, bejaht Projektleiter Lamprecht die Frage. So gesehen, dürfte es für LignoAlp vermutlich nicht die letzte Weihnachtsfeier in einer außergewöhnlichen Holzkonstruktion gewesen sein.
Projektdaten
Standort: Obereggen, Südtirol
Fertigstellung: November 2016
Architektur: Peter Pichler Architecture ; Pavol Mikolajcak Architekt
Holzbau: LignoAlp
Verbaute Holzmenge: rund 100 m3