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© querwärts Architekten

Wolke 10

Ein Artikel von Redaktion | 17.02.2016 - 09:27


Nachverdichtung als städtebauliche Herausforderung? Das Konzept der Kindertagesstätte „Wolke 10“ verkehrt das Problem in eine Chance: Mit spielerischer Leichtigkeit stellt es unter Beweis, dass eine nicht nur ungenutzte, sondern auch höchst ungewöhnliche Fläche zum idealen Ort für Kinder werden kann. Nicht zuletzt ist das Paradebeispiel für die Auflösung gesellschaftlicher Unterschiede dem sozialen Engagement des Musikalienhändlers Andreas Klier, Bauherr und Initiator des Projekts, zu verdanken. „Gemeinwohl statt Rendite“, scheint sein Motto bei der zugleich kühnen und naheliegenden Idee gewesen zu sein, die vom Nürnberger Büro querwärts ARCHITEKTEN als Holzbau umgesetzt wurde.

Höchst gelegene Kindertagesstätte Deutschlands

Inmitten des sozialen Brennpunkts Nürnberger Südstadt konnte auf dem ungenutzten Oberdeck eines Parkhauses ein regelrecht privilegierter Hotspot für Kinder realisiert werden. Die mit knapp 17m über Straßenniveau höchstgelegene Kindertagesstätte Deutschlands entstand in einem Stadtgebiet höchster Bebauungsdichte. „Wie alle neuen Ideen stieß auch diese zunächst auf Skepsis“, erinnert sich Architekt Patrick Schreiner. „Doch selbst die Zweifler ließen sich bei Besichtigung des spektakulären Bauplatzes von der Vision leicht überzeugen.“ Nach sehr kurzer Planungsphase und nur neunmonatiger Bauzeit konnte der Hort bereits bezogen werden. Nicht nur aus ökologischen und statischen Gründen entschieden sich die Gestalter für einen Holzständerbau: „Die Leichtigkeit der Konstruktion und das ‚Wohlfühlklima‘ waren schlicht unschlagbare Argumente“, so Schreiner. Die in starkem Kontrast zum mächtigen Bestandsbau stehende Holzkonstruktion wirkt federleicht – passend zum Projektnamen „Wolke 10“. „Eine Herausforderung stellten die statischen Gegebenheiten des Parkhauses aus dem Jahr 1979 trotzdem dar“, informiert der Architekt. Um die nötigen Gewichtsreserven aufzustocken, mussten rund 700t Aufbeton abgetragen werden. Die Baumbepflanzung konnte nur an Stellen mit stabilisierenden Unterzügen vorgenommen werden. Zudem konnten die Baumaterialien aufgrund der ungewöhnlichen Baustellenhöhe nur mittels Kran auf die 9. und 10. Ebene angeliefert werden

Durch Musik geförderte Kinderbetreuung

Das Betreuungsangebot in der „Wolke 10“ ist für maximal 86 Kinder ausgelegt – aufgeteilt in zwei altersgemischte Kindergartengruppen im Alter von drei bis sechs Jahren mit je 25 Kindern und drei Krippengruppen mit je 12 Kindern im Alter von null bis drei Jahren. Die integrative und interkulturelle Nutzung des Kindergartens mit musikalischer Förderung wird vom Bauherrn persönlich unterstützt. Dessen Familie betreibt seit 1979 im Erdgeschoss des Parkhauses das „Musikhaus Klier“.

Wohlfühlort aus natürlichen Baustoffen

Der längliche Baukörper schlängelt sich mit seiner in vier Ebenen geteilten, versetzten Holzfassade an der Südseite der Dachfläche entlang. Große Panoramafenster lassen viel Licht in die Spiel- und Aufenthaltsräume und geben den Blick über die Dächer der gesamten Stadt frei. Dabei sind sowohl Innen- als auch Außenbereiche von keinem Punkt außerhalb des Parkhauses her einsehbar – „in dieser Kombination ist das für Lebensbereiche eine der seltensten und begehrtesten Situationen in urbanen Ballungszentren“, hebt Patrick Schreiner die Besonderheit dieses „Grundstücks“ hervor. Die Gestaltung der hellen, offenen und einladenden Innenbereiche setzt auf Proportion und Detail. Die gesamte Inneneinrichtung wurde ebenfalls von querwärts Architekten geplant – passend zur Gebäudekonstruktion kam auch hier viel Holz zum Einsatz. Dazu gehört auch eine Spielburg in Form einer dreidimensionalen Kinder(tri)bühne. Die großzügige Spiel- und Gartenlandschaft versammelt eine buntes Spektrum an Spielgeräten, wie Klettergerüsten und -wänden, Musikinstrumenten, Schaukeln, Sandkästen, Rutschen und sogar einen kleinen Bolzplatz.

Grün bedeckt das Grau

In der grünen Parkhausdach-Oase mit Rasenflächen, Pflanzen und bis zu vier Meter hohen, schattenspendenden Bäumen können sich die Kinder ohne jegliche Störung der Umgebung austoben. Eine knapp 3m hohe Mauer des ehemaligen Parkdecks schirmt das Areal hoch oben auf dem Dach ab. Fangnetze bieten zusätzlichen Schutz vor herunterfallenden Spielbällen. Eine Lärmbelästigung durch den Straßenverkehr ist aufgrund der Höhenlage kaum vorhanden. Erschlossen wird die Kindertagesstätte unter anderem über einen Aufzug, der von der Straße direkt zur Eingangstür führt und zugleich im Notfall als Feuerwehraufzug dient. 

Zukunftsweisende Nachverdichtung

Knapp 2, 7 Mio. € wurden in dieses außergewöhnliche Projekt investiert. „Für die Erschließung neuer Flächen in der zunehmenden Bebauungsdichte von Metropolen kann die Kindertagesstätte auf dem 10. Deck eines Parkhauses als zukunftsweisendes Beispiel dienen“, so Schreiner. _mr

Projektdaten

Standort: Nürnberg
Fertigstellung: 2015
Bauzeit: 9 Monate
Architektur: querwärts ARCHITEKTEN
Holzbau: Braun Holzbau